Bevor SARS-CoV-2 die Welt in seinen Bann zog, galt Tuberkulose als die tödlichste Infektionskrankheit unserer Zeit. Noch immer sterben jede Minute etwa drei Personen an den Folgen einer Erkrankung mit den Bakterien. Die andauernde Corona-Pandemie trägt jedoch dazu bei, dass dieses weltweite Problem mehr und mehr in den Hintergrund rückt. Auch deshalb findet heute der Welttuberkulosetag statt, der auf die drohende Gefahr erneut aufmerksam machen will.
Mission Impossible: Reduktion bis 2035
In einem Interview mit dem deutschen Zentrum für Infektionsforschung betont Tuberkulose-Experte Christoph Lange vom Forschungszentrum Borstel, dass es zwar das ambitionierte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sei, die Tuberkulose-Inzidenz bis 2035 erheblich zu reduzieren, realistisch sei dieses Vorhaben angesichts der aktuellen Verbreitung und Infektionszahlen aber eher weniger, so der Experte. Das liegt auch an der sogenannten BCG-Impfung, die derzeit als einziger Wirkstoff gegen Tuberkulose eingesetzt wird. Da der Impfstoff ausschließlich an Rindern erprobt wurde, ist er allerdings nicht ausreichend wirksam. In Deutschland wird der Impstoff schon seit 1998 nicht mehr empfohlen. Aus diesem Grund besteht hier dringender Forschungsbedarf.
Zahlreiche Impfstoffkandidaten in der Schublade
Derzeit werden an die 20 Impfstoffe in klinischen Studien erprobt, die diesen Missstand bald beseitigen könnten. Am weitesten in der Erprobung ist derzeit ein Impfstoff von Prof. Stefan Kaufmann des Max-Planck-Instituts, das ebenfalls auf BCG-Vakzine aufbaut. Zudem erschien in Südafrika letztes Jahr eine bedeutende Studie über einen weiteren Impfstoff, wobei sogar über die Hälfte an Neuinfektionen in der Impfpopulation nachgewiesen wurden. Jährlich würde das die Tuberkulosefälle auf fünf Millionen halbieren, was ein substanzieller Beitrag zur weltweiten Reduktion der Infektionskrankheit wäre.
Weiteres Problem: Resistente Bakterien
Was den Wissenschaftlern zusätzliches Kopfzerbrechen bereitet, sind die resistenten Varianten von Tuberkulose-Erregern. Das führt zu einem ganzen Schwall an Medikamenten, die in Folge verabreicht werden müssen. Aktuell empfiehlt die WHO eine fünfteilige Medikamententherapie, von denen vier unbedingt für eine Heilung der Infektion eingenommen werden müssen. Weitere Probleme in der Behandlung ergeben sich mitunter durch Nebenwirkungen, die eher häufig auftreten. Die schlechte Verfügbarkeit der Medikamente trägt ebenfalls dazu bei, dass das Infektionsgeschehen nach wie vor nicht unter Kontrolle ist und die Krankheit vielfach tödlich verläuft.
Therapie bedarf Anpassung
Bisher wird empfohlen die medikamentöse Behandlung einer multiresistenten Tuberkulose-Infektion für 18 Monate anzusetzen. Jedoch gibt es einige Fälle, die weitaus früher ausgeheilt sind, gesteht Tuberkulose-Experte Lange. Das Problem im Augenblick ist ein fehlender Biomarker, denn aktuell könnte die Infektion nur über den Auswurf beim Husten nachgewiesen werden. Je nach Infektionsstatus kann es aber vorkommen, dass Bakterien sich im Laufe der Infektion darin nicht mehr nachweisen lassen. Ein Abbruch der Therapie hat ab diesem Zeitpunkt nachweislich schon Rückfälle ausgelöst.
Neue Maschine für Therapie in Entwicklung
Das Problem der fehlenden Analysemöglichkeiten will das Team an Wissenschaftlern um den Experten nun lösen. Derzeit wird an einer Maschine gearbeitet, die je nach Infektionsstatus die Behandlung weiterempfiehlt oder einen Abbruch vorsieht. Dadurch würde Patienten an die 130 Tage unnötige Medikamenteneinnahme erspart werden. Zusätzlich ergibt sich sowohl eine Kostenersparnis für Betroffene als auch für die Gesundheitssysteme. Bis das Biomarker-Gerät eingesetzt werden kann, sind noch Testungen in einer Vergleichsgruppe notwendig. Die Forscher sind auf jeden Fall überzeugt, dass es sich um einen Meilenstein in der Tuberkulosetherapie handelt.
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