Gerade freut man sich noch auf ein Glas eiskalte Cola zur Erfrischung, im anderen Moment dann ein stechender Zahnschmerz. Viele Menschen klagen über kälteempfindliche Zähne. Bisher war jedoch weitgehend unklar, welcher biochemische Prozess dieser Überempfindlichkeit zugrunde liegt. Forschende haben nun entdeckt, dass ein Protein für die Schmerzreaktion der Zähne bei Kälte verantwortlich ist.
Kälteschmerz als Schutzmechanismus
Kältebedingte Zahnschmerzen können in verschiedenen Situationen auftreten: Vor allem bei einem Loch im Zahn oder bei altersbedingter Erosion des Zahnfleischs ist eine stärkere Reaktion auf kalte Speisen und Getränke zu erwarten. Auch Krebspatienten, die bei einer Chemotherapie mit platinbasierten Alkylantien (Medikamente; verhindern DNA-Replikation) behandelt werden, sind häufig mit extremer Kälteüberempfindlichkeit konfrontiert. Dennoch war nie restlos geklärt, wie diese Schmerzen explizit zustande kommen. Mittlerweile ist klar, dass die schmerzhafte Reaktion der Zähne auf Kälte eine Art des Körper ist, bereits geschädigte Zähne vor weiteren Verletzungen zu schützen.
Experimente mit Mäusen
Eine internationale Forschergruppe, in der sich unter anderem Vertreter der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Harvard Medical School beteiligten, konnte nun herausfinden, über welchen Signalweg das dentale Schmerzempfinden bei Kälte ausgelöst wird. Veröffentlicht wurden ihre bahnbrechenden Studienergebnisse im Journal „Science Advances“. In Untersuchungen mit Labormäusen, deren Backenzähne unter Narkose angebohrt wurden, sollten kältebedingte Zahnschmerzen simuliert werden. Jene Tiere mit Zahnverletzungen zeigten ihre Schmerzen deutlich durch spezifisches Verhalten: Sie nahmen bis zu 300 Prozent mehr Zuckerwasser zu sich. Auf Basis dieses Ausgangs-Experiments stellte man Forschungen zum Protein TRPC5 an, welches die Forscher als Vermittler des Kälteschmerzes verdächtigten.
Protein verursacht Zahnschmerzen
Dabei wurde die Interaktion von TRPC5 mit den Odontoblasten spezifisch beobachtet. Odontoblasten sind Zellen, welche direkt an der Grenze zwischen Dentin (Zahnbein) und Pulpa (Zahnmark) liegen. Das TRPC5-Protein wird von einem gleichnamigen Gen kodiert. Genetisch veränderte Mäuse, die dieses Gen nicht aufwiesen, verhielten sich trotz Zahnverletzung wie jene Versuchstiere, deren Backenzähne nicht angebohrt wurden. Labormäuse ohne wirksames Protein konnten die Zahnschmerzen also nicht spüren. Konkret lässt sich sagen, dass das TRPC5-Protein bei Kälteeinfluss Kanäle in der Membran (Zellhaut) der Odontoblasten öffnet, wodurch die Signalübertragung der Nerven aktiviert wird. Über die Zahnwurzel gelangt das neuronale Signal ins Gehirn, dort wird wiederum Kälteüberempfindlichkeit und -schmerz gemeldet. Somit ist eindeutig bewiesen, dass TRPC5 als Temperatursensor fungiert.
TRPC5-Blocker Nelkenöl
Besonders spannend ist die Tatsache, dass das Protein die Zellaktivität bei Kälte ankurbelt, während andere Zellen und Gewebe ihren Stoffwechsel in Gegenwart von Kälte für gewöhnlich herunterfahren. Von großer Wichtigkeit ist außerdem die Entdeckung, dass Odontoblasten Kälte lediglich über das TRPC5-Protein spüren. Dadurch kann man besser in die kälteempfindliche Funktion eingreifen und etwaige Schmerzen lindern. Mitunter wurde zufällig identifiziert, dass der in Nelkenöl enthaltene Wirkstoff Eugenol TRPC5 hemmen kann. Nelkenöl wird seit Jahrhunderten bei Zahnschmerzen eingenommen, durch die aktuelle Forschung konnte nun dessen Wirkweise ermittelt werden. In Zukunft wäre beispielsweise eine dauerhafte Behandlung mit Eugenol bei Zahnschmerzen während einer Chemotherapie denkbar.
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