Obgleich Fred Feuersteins Popularität nicht gerade von seinem geringen Bauchumfang herrührt, beginnen immer mehr Menschen eine Ernährungsweise anzustreben, die der unserer prähistorischen Vorfahren vor rund 2,5 Millionen Jahren ähnelt. Die Zeiten des Sammeln und Jagens mögen zwar längst vorbei sein und die Futtersuche findet in der okzidentalen Welt höchstens noch im Supermarkt statt – und dennoch scheinen die Essgewohnheiten der Altsteinzeitmenschen nach wie vor Faszination auf den modernen Homo sapiens auszuüben. Doch ist es überhaupt sinnvoll, sich an einem Lebensstil von anno dazumal zu orientieren oder schadet man im schlimmsten Fall seiner Gesundheit damit?
Der prähistorische Speiseplan
Paleo leitet sich vom Begriff des Paläolithikums ab, welches in der Menschheitsgeschichte die Epoche der Altsteinzeit, die vor ca. 2,5 Millionen Jahren mit der Herstellung und Inanspruchnahme von Steinwerkzeugen begann, bezeichnet. Die paläolithischen Menschen können als Jäger und Sammler kategorisiert werden, die sich lediglich davon ernährten, was ihnen Mutter Natur zu bieten hatte oder was sie selbst erlegen konnten. Ackerbau und Viehzucht existierten noch nicht, und genau an diesem Punkt setzen die AnhängerInnen der Paleo-Diät an: Die Lebensmittel, die der Homo sapiens und seine Vorfahren für den Großteil ihrer evolutionären Geschichte konsumierten, waren stets naturbelassen, unverarbeitet und nicht durch Zucht oder Anbau modifiziert. Aus diesem Grund sei auch der neuzeitliche Mensch nicht für eine moderne „Zivilisationskost“ gemacht: Ackerbau, Viehzucht und nicht zuletzt die industrielle Lebensmittelherstellung seien historisch betrachtet relativ junge Phänomene, die den evolutionsgeschichtlichen Dispositionen des Homo sapiens nicht entsprechen und für eine Reihe von Volkskrankheiten wie Diabetes, Nahrungsmittelunverträglichkeiten sowie Allergien verantwortlich seien.
Der Fokus der Paleo-Ernährung liegt also darauf, dem Körper ausschließlich Nahrung zuzuführen, auf deren Verdauung er sich evolutionär mutmaßlich spezialisiert hat. Auf dem altsteinzeitlichen Teller landen folglich größtenteils Gemüse und Obst, vorzugsweise Beeren, Samen und Nüsse. Zudem ist die Paleo-Diät sehr Fleisch- und Fisch-lastig, Eier dürfen ebenfalls verzehrt werden. Fette wie Olivenöl, Nussöl oder Avocadoöl sind erlaubt, gesüßt wird mittels Honig und Ahornsirup, Reis und Kartoffeln sollen ausschließlich in Maßen genossen werden.
Als absolutes Tabu gelten landwirtschaftlich produzierte Nahrungsmittel sowie industriell hergestellte Produkte, die vor der Entstehung von Viehzucht und Ackerbau nicht auf dem menschlichen Speiseplan standen. Hierzu zählen insbesondere Getreideprodukte wie Nudeln, Brot oder auch Couscous, Milchprodukte wie beispielsweise Käse und Joghurt, Zucker, Süßstoffe, künstliche Zusatzstoffe, Kaffee, Wurstwaren und Alkohol.
Vorzüge der Paleo-Diät
Da einer Diät zumeist das Ziel einer Gewichtsabnahme zugrunde liegt, erscheint es nicht verwunderlich, dass Praktizierende zuhauf von ihren Abnehmerfolgen, die sie vermeintlich dank einer Paleo-Ernährung verzeichnen konnten, berichten. Insgesamt würde sich die Ernährungsweise von damals positiv auf die Gesundheit des Menschen von heute auswirken. So erfolge mithilfe der Paleo-Diät eine positive Beeinflussung des Insulin- und Fettstoffwechsels, besonders im Zusammenhang mit Bewegung, wodurch das Risiko, an Herz- oder Gefäßkrankheiten zu sterben, verringert werden würde. Einem erhöhten Cholesterinspiegel könne so ebenfalls entgegengewirkt werden. Weiters trage die Fastenkur dazu bei, das Risiko an Diabetes zu erkranken, zu senken.
Eine schwedische Studie belegte sogar, dass eine Verbesserung der Insulinsensitivität um satte 45 Prozent bei Typ-2-DiabetikerInnen bereits nach zwölf Wochen Paleo-Diät verzeichnet werden konnte. Zugleich sank bei den ProbandInnen auch der Blutdruck. Als weiterer Pluspunkt der Paleo-Diät kann der Fokus auf regional sowie saisonal verfügbare Lebensmittel gezählt werden. „Positiv ist, dass bei der Diät viel Wert auf wenig verarbeitete Lebensmittel gelegt wird“, affirmiert auch Astrid Donalies, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Laut ihr ist die heutzutage, vor allem in der westlichen privilegierten Welt, verbreitete (Fehl-)Ernährung mitverantwortlich für Krankheiten wie Übergewicht, Karies, Bluthochdruck oder Gefäß- und Herzkrankheiten.
Defizite des Steinzeit-Lifestyles
Wenngleich der Körper im Rahmen der Paleo-Ernährung ausreichend mit Eiweiß und wertvollen Fettsäuren versorgt werde, gibt Donalies zu bedenken, dass dies nicht für alle lebensnotwendigen Nährstoffe der Fall sei. Mit dem Verzicht auf Getreide- und Milchprodukte sowie Hülsenfrüchte gehen essentielle Lieferanten für Ballaststoffe, Vitamine (z.B. Vitamin B) und Mineralstoffe (wie z.B. Kalzium oder Jod) verloren. Die Gefahr eines Nährstoffmangels aufgrund der eingeschränkten Lebensmittelauswahl steigt und geht mit einem erhöhten Osteoporoserisiko einher. Als Trugschluss erweist sich der Verzicht auf jegliche Form von Kohlenhydraten auch in den Bereichen Sport und Bewegung, die im Zuge des Abnehmprozesses eine wichtige Rolle einnehmen: Um leistungsfähig zu sein, sind Kohlenhydrate notwendig, um überhaupt an Fettreserven ranzukommen.
Sowohl in Hinblick auf Klimakrise, Umwelt und Nachhaltigkeit, als auch unter dem Aspekt der Gesundheit betrachtet, ist der Verzehr großer Mengen an tierischem Protein kritisch zu sehen und vor allem bei Personen mit Nierenschädigungen nicht empfehlenswert. Trifft man dennoch die Entscheidung, sich einer Paleo-Diät zu unterziehen, sollte zuvor stets eine Ärztin oder ein Arzt konsultiert werden, um zu evaluieren, ob diese Art von Fastenkur für das jeweilige Individuum überhaupt sinnvoll ist. Denn der unter prähistorischen Bedingungen gegebene „richtige“ Weg unserer Vorfahren, muss sich nicht zwangsläufig als der ideale für den modernen Homo Sapiens mit seiner gänzlich unterschiedlichen Lebenswelt herausstellen.
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