Sie beginnt mit leichter Vergesslichkeit und endet darin, dass Betroffene sich nicht einmal mehr an ihre Liebsten erinnern: Die Alzheimer-Demenz ist ein tragisches Schicksal und trifft sehr viele – vor allem ältere – Menschen. Eine neue Studie legt nun nahe, dass sich die Krankheit schon in jungen Jahren mit einfachen Maßnahmen verhindern lassen könnte – und zwar mithilfe von Übungen, die sich auf den Atem fokussieren.
Atmung beeinflusst Proteine im Blut
Die Studie, die von Forschern der University of Southern California und der University of California durchgeführt wurde, erschien kürzlich im Fachblatt „Scientific Reports“. Sie konnte nachweisen, dass durch eine bestimmte Atemtechnik die Menge an sogenannten Beta-Amyloid-Peptiden im Blut sinkt. Letztere stehen in Zusammenhang mit der Entwicklung von Demenz: Erwachsene, bei denen viele dieser Proteine im Blut zirkulieren, erleiden später mit größerer Wahrscheinlichkeit die Alzheimer-Krankheit. Doch wie genau kann das Atmen dazu beitragen, dass die Beta-Amyloid-Peptide verschwinden?
Kämpfen und fliehen vs. ruhen und verdauen
Unsere Atmung beeinflusst, wie schnell unser Herz schlägt. Die Herzrate wirkt sich wiederum darauf aus, welche Proteine das Gehirn produziert und welche es beseitigt. Während wir wach sind, ist normalerweise das sogenannte sympathische Nervensystem in Aktion – auch bekannt als das „fight or flight“-System, das bei unseren frühen Vorfahren vor allem dann aktiv war, wenn sie sich gegen Rivalen verteidigen oder vor einem Raubtier flüchten mussten. Heutzutage ist es etwa dann im Einsatz, wenn wir uns in einer stressigen Situation befinden oder wir uns konzentrieren. Solange das sympathische Nervensystem aktiv ist, bleibt die Herzratenvariabilität niedrig. Das bedeutet, dass die Zeit zwischen einzelnen Herzschlägen nicht stark variiert.
Anders verhält es sich beim parasympathischen Nervensystem, das auch „rest and digest“-System genannt wird (also „ruhen und verdauen“). Dieses schaltet sich ein, wenn wir uns erholen, und ermöglicht uns unter anderem einen festen Schlaf. Ist der Parasympathikus aktiv, erhöht sich die Herzrate beim Einatmen und sinkt beim Ausatmen. Außerdem ist hierbei die Variation in der Zeit zwischen den Herzschlägen höher.
Warum die Zeit zwischen Herzschlägen so bedeutsam ist
Mit zunehmendem Alter fällt es unserem Organismus immer schwerer in den Modus des parasympathischen Nervensystems zu schalten. Das führt dazu, dass die Variation in der Zeit zwischen den Herzschlägen immer geringer wird. Eine Studie konnte zeigen, dass die Herzratenvariabilität zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr sogar um ca. 80 Prozent sinkt. Möglicherweise ist dies auch ein Grund, warum es im Alter zunehmend schwieriger wird, tief zu schlafen.
Außerdem beeinflussen das sympathische und das parasympathische Nervensystem die Produktion und Beseitigung von Proteinen, die im Zusammenhang mit Alzheimer stehen. Wie genau die beiden Nervensysteme jeweils zur Entwicklung von Demenz beitragen, war jedoch noch unklar. Die neue Studie aus den USA lieferte hierzu nun Erkenntnisse.
Durch Atmung den Herzschlag steuern
In der amerikanischen Studie führten die Probanden eine sogenannte Biofeedback-Übung durch: Zweimal täglich sollten sie 20 Minuten lang jeweils ein- und ausatmen bis sie bis fünf gezählt haben. Dabei wurde ihr Herzschlag über ein Gerät an ihrem Ohr aufgezeichnet und auf einem Bildschirm visualisiert. Ein Teil der Versuchspersonen sollte während der Atemübung an ruhige Dinge wie einen Spaziergang im Park denken und dadurch versuchen, den Herzschlag so ruhig wie möglich zu halten. Die restlichen Probanden wurden hingegen angeleitet, die Variationen in ihrem Herzschlag durch das Atmen zu erhöhen. Dafür beobachteten sie ein Quadrat am Bildschirm, das beim Einatmen aufstieg und beim Ausatmen wieder sank.
Beiden Probandengruppen wurde vor und nach dem Untersuchungszeitraum Blut abgenommen, um es auf Beta-Amyloid-Peptide zu untersuchen. Das Ergebnis: In der Gruppe, die die Herzratenvariabilität durch die Atmung erhöhen sollte, sank das Level an gefährlichen Peptiden im Blutplasma.
Atemübung schon in jungen Jahren effektiv
Es ist noch nicht ganz klar, warum eine erhöhte Herzratenvariabilität dazu führt, dass die Menge an Beta-Amyloid-Peptiden sinkt – entweder, weil weniger der Proteine produziert werden oder weil der Körper sie besser beseitigen kann. Durch die Studie wurde jedenfalls erstmals gezeigt, dass man durch Verhaltensinterventionen die Beta-Amyloid-Peptide im Blutplasma reduzieren kann. Außerdem nahmen an dem Experiment Menschen teil, die jünger als 30 und älter als 55 Jahre waren – die Atemübungen verhindern also sowohl im jungen als auch im mittleren und hohen Alter, dass sich zu viele gefährliche Proteine im Gehirn ansammeln. Zukünftig könnten Atemübungen somit als risikofreie und kostengünstige Methode zu einer Reduzierung des Alzheimer-Risikos beitragen.
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