Bei Krebserkrankungen ist der Zeitpunkt, zu dem sie erkannt werden, ausschlaggebend für die Therapiemöglichkeiten – und damit oft für die Überlebenschancen von Betroffenen. Der Onkologe Martin Widschwendter befasst sich daher am European Translational Oncology Prevention & Screening (EUTOPS) Institut mit der Entwicklung neuer Krebspräventions- und -früherkennungsmethoden. Mithilfe sogenannter epigenetischer Fußabdrücke erstellten die Forschenden einen nicht-invasiven Screening-Test, der sowohl Eierstock- als auch Brustkrebs vorhersagen kann.
Die Software unserer Zellen
„Jede Zelle eines Menschen beinhaltet die exakt gleichen Informationen in Bezug auf die DNA, die wir als genetische Hardware bezeichnen können. Welche Programme aber in der Zelle abgerufen werden, wird durch das Epigenom bestimmt – sozusagen die Software unserer Zellen“, erklärt Widschwendter. Die Wissenschaftler am Institut für Prävention und Screening analysieren einen wichtigen Teil dieser Software: Die DNA-Methylierung. Sie wird sowohl von genetischen als auch von Umweltfaktoren beeinflusst. „Externe Faktoren, wie zum Beispiel Rauchen, die Ernährungsweise oder Hormone, aber auch Faktoren, denen wir als Embryo im Mutterleib ausgesetzt sind, oder auch die Alterung führen zu Veränderungen der DNA-Methylierung. Dabei handelt es sich um Markierungen an der DNA, die die Expression bestimmter Gene der Zelle erhöhen oder verringern und somit auch das Krebsrisiko beeinflussen“, beschreibt der Experte.
Risikoeinschätzung anhand von epigenetischem Fußabdruck
Die Veränderungen, die in der DNA-Methylierung gespeichert werden, sind das, was sie so interessant macht für die Forschenden. „Denn all diese Faktoren, die im Laufe des Lebens auf die Zellen einwirken, hinterlassen epigenetische Fußabdrücke auf der DNA, die unsere neuen WID-Tests sichtbar machen“, erklärt Martin Widschwendter. Diese WID-Tests („Women’s cancer risk IDentification“) analysieren den epigenetischen Fußabdruck für jede Krebsart und berechnen einen jeweiligen WID-Index, der das Risiko beschreibt. „Unsere WID-Tests verfolgen einen völlig neuartigen Ansatz und bewerten das individuelle Risiko für mehr als eine Krebsart, indem sie verschiedene epigenetische Fußabdrücke in einem einzigen Gebärmutterhalsabstrich untersuchen. Die WID-Tests suchen nach epigenetischen Fußabdrücken auf der DNA einer Frau, die sich im Laufe ihres Lebens angesammelt haben und untersuchen, ob die Frau auf Krebs zusteuert, d.h. ein hohes Risiko dafür hat“, erläutert Widschwendter. Gegenüber anderen Methoden haben die Tests damit auch den Vorteil, dass sie nicht-invasiv durch einen einfachen, routinemäßigen Gebärmutterhalsabstrich veranlasst werden können.
Personalisierte Krebsprävention
Um die Tests zu prüfen, führte das Forschungsteam eine große, epigenomweite Analyse durch: Gebärmutterhalsabstriche von 289 Frauen mit Eierstockkrebs, 727 Frauen mit Brustkrebs und 1.410 Frauen ohne Krebsdiagnose aus ganz Europa gingen in die Untersuchung ein. Die WID-Tests konnten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die erkrankten Frauen korrekt identifizieren. „Die WID-Tests werden Krebsprävention und Früherkennung personalisieren und es erstmals ermöglichen, Frauen basierend auf ihrem individuellen, veränderlichen Krebsrisiko zu untersuchen und zu behandeln. Darüber hinaus erlauben die WID-Tests, den Erfolg der präventiven Maßnahmen zu kontrollieren. Wir freuen uns, die Krebsrisiko- und früherkennung durch bessere molekulare Tests radikal weiterzuentwickeln, um Frauen die Möglichkeit zu geben, in einem frühen Stadium Präventionsmaßnahmen zu ergreifen und dem Krebs zu entgehen“, erklärt Martin Widschwendter. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachblatt „Nature Communications“ veröffentlicht.
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