Bereits vergangenes Jahr wurde über die Entwicklung eines neuen Bluttestes berichtet, der über 50 verschiedene Arten von Krebs erkennen soll – selbst wenn noch keine Symptome vorhanden sind. Neue, dazu veröffentlichte Ergebnisse lassen erneut aufhorchen: Die Resultate seien genau genug, um das Verfahren als Krebsfrüherkennungstest bei Menschen mit erhöhtem Krebsrisiko sowie bei Personen ab 50 Jahren einzusetzen. Zudem soll dieser bald in einigen Ländern erstmals großflächig Anwendung finden.
Revolution in der Diagnostik
Der neue Test soll erstmals in der Lage sein, anhand einer Blutprobe Krebs im Körper zu erkennen, noch bevor die Krebserkrankung Beschwerden hervorruft. Außerdem besitzt dieser eine sehr niedrige Falsch-Positiv-Rate und könne daher mit hoher Genauigkeit voraussagen, an welcher Stelle im Körper der Krebs ausgebrochen ist. Für Ärzte könnte das zukünftig eine riesige Entscheidungshilfe für das weitere Vorgehen in der Diagnostik und Behandlung der Krankheit bedeuten. In den USA wurde der Bluttest bereits als Multi-Krebs-Früherkennungstest neben anderen, zuvor existierenden Screening-Methoden zugelassen.
Weiters möchten die Gesundheitsbehörden in England (NHS) noch im Laufe des Jahres den neuen Bluttest zur Krebserkennung bei 165.000 in Frage kommenden Personen anwenden. Zusätzlich soll so die Lücke bei einigen gefährlichen Krebsarten wie Leber-, Bauchspeicheldrüsen- und Speiseröhrenkrebs geschlossen werden, für die es derzeit noch keine Früherkennungsmethode gibt.
Bessere Heilungschancen
Laut den Forschenden könnte der Test auch die Prognose bei der Behandlung erheblich verbessern. Denn bei den meisten Krebsarten stehen die Heilungschancen umso besser, je früher die Krankheit erkannt wird: „Krebs in einem frühen Stadium zu erkennen, in dem eine Behandlung mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich ist, ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, die wir haben, um die Belastung durch Krebs zu reduzieren“, meint auch Studienleiter Dr. Eric Klein, Vorsitzender des Glickman Urological and Kidney Institute der Cleveland Clinic. „Diese Daten deuten darauf hin, dass der Multi-Krebs-Erkennungstest, wenn er neben den bestehenden Screening-Tests eingesetzt wird, einen tiefgreifenden Einfluss auf die Art und Weise haben könnte, wie Krebs erkannt wird“, so der Krebsforscher weiter. Das neue Verfahren habe somit das Potenzial, sich auf die gesamte öffentliche Gesundheit auszuwirken.
Krebsarten verraten sich durch eigenes Muster
Für die Auswertung wird lediglich eine Blutprobe eines Patienten benötigt, wie die Arbeitsgruppe berichtet. Die gewonnene Probe wird im nächsten Schritt auf DNA-Spuren von Krebs untersucht – denn Krebszellen geben sogenannte zellfreie DNA (cfDNA) ins Blut ab. Anhand bestimmter Methylierungsmuster, die mittels künstlicher Intelligenz durch maschinelles Lernen herausgearbeitet wurden, kann das mögliche Vorhandensein von Krebs nachgewiesen werden. Sogar einen ersten Hinweis auf die betroffene Stelle im Körper liefert das Ergebnis, denn jede Krebsart hat ein anderes Methylierungsmuster. Die Testresultate liegen derzeit im Schnitt zehn Werktage nach der Durchführung vor.
Nur halbes Prozent falsch-positiv
Im dritten und letzten Teil der Studie haben die Forschenden die Leistungsfähigkeit des Bluttests bei 2.823 Personen mit diagnostiziertem Krebs sowie bei 1.254 Personen ohne bekannte Krebserkrankung untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Test in der Lage sei, die Signale von über 50 verschiedenen Krebsarten zu erkennen. Die falsch-positive Rate betrug nur etwa 0,5 Prozent – das bedeutet, dass rund jedes 200. Ergebnis positiv ist, obwohl keine Erkrankung vorhanden ist. Die Sensitivität lag der Studie zufolge für die herangezogenen 12 Krebsarten, die zwei Drittel aller Krebstodesfälle ausmachen, darunter Darm-, Blasen-, Speiseröhren-, Magen-, Leber-, Lungen-, Gallengang-, Eierstock-, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Lymphome und multiple Myelome, somit bei 67,6 Prozent.
Sensitivität stieg mit Krebsstadium
Auffällig zeigte sich außerdem, dass sich bei allen Krebsarten die Erkennungsrate mit fortschreitendem Krebsstadium verbesserte. Im ersten Krebsstadium betrug diese nur 16,8 Prozent, im zweiten Stadium 40,4 Prozent, im dritten Stadium 77 Prozent und im vierten Stadium, in dem es bei den meisten Krebserkennungen erst zu Symptomen kommt, betrug die Sensitivität 90,1 Prozent: „Wir glauben, dass Krebsarten, die mehr cfDNA in den Blutkreislauf absondern, leichter erkannt werden“, erläutert Klein. Diese seien zudem mit einem höheren Todesrisiko verbunden, wie frühere Forschungen nahelegen. Bei anderen Krebserkrankungen seien dennoch zusätzliche Tests erforderlich. Beispielsweise scheide ein Tumor der Prostata weniger DNA aus, weshalb er mit dem neuen Testverfahren schlechter erkannt werden kann.
Wendepunkt in der Krebsdiagnostik
Insgesamt wurde der neue Bluttest zur Krebserkennung bereits an 15.254 Teilnehmenden aus 142 Kliniken in Nordamerika angewandt, wodurch die Ergebnisse laut den Forschenden ebenfalls auf eine vielfältige Bevölkerung umgelegt werden können. Wie sich das auf die Population auswirken wird, werden die kommenden Jahre zeigen: „Ich bin begeistert von den möglichen Auswirkungen, die dieser Ansatz auf die öffentliche Gesundheit haben wird“, gibt sich Klein sicher.
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