Verlegte Schlüssel, der Friseurtermin, den man von einem Tag auf den anderen vergisst, oder die Telefonnummer einer Freundin, die einem einfach nicht mehr einfallen will: Viele ältere Menschen sorgen sich aufgrund solcher Gedächtnisschwierigkeiten um ihre geistige Fitness. Doch könnte es nun bald ein Mittel gegen die altersbedingte Vergesslichkeit geben? Dafür sprechen zumindest die Ergebnisse einer Studie aus den USA: Eine Spritze mit dem sogenannten Klotho-Protein bringt bei Affen das Gedächtnis wieder in Schwung – auch bei Menschen soll das funktionieren. Handelt es sich dabei um übertriebene Versprechungen oder ist Klotho tatsächlich der Gamechanger im Kampf gegen das Altern?
Der Kampf gegen den geistigen Verfall
Leider gehört es zum Älterwerden dazu, dass die kognitiven Fähigkeiten langsam abbauen, selbst wenn man nicht an einer Demenz leidet. Um dies zu verhindern, können ein gesunder Lebensstil, soziale Kontakte und Hirntrainings helfen – jedoch nur bis zu einem gewissen Grad. Schon lange sind Wissenschaftler daher auf der Suche nach Alternativen, um dem Altern des Gehirns entgegenzuwirken.
Mehrere Studien haben bereits einen Zusammenhang zwischen Alterungsprozessen im Gehirn und einem gewissen körpereigenen Molekül identifiziert – dem sogenannten Klotho-Protein. Dieses befindet sich im Blutkreislauf und wirkt als Hormon auf den Insulinhaushalt ein. Auch auf Signalwege für Wachstumsfaktoren sowie auf die Funktion von Rezeptoren hat es Einfluss.
„Klotho“: Körpereigenes Protein als Gedächtnis-Booster?
Zu Beginn des Lebens befindet sich noch viel Klotho-Protein im Blut; mit zunehmendem Alter sinkt der Spiegel. Zwar wird das Protein von der Blut-Hirn-Schranke abgeblockt und kann damit nicht ins Gehirn gelangen – dennoch scheint es einen Effekt auf die kognitiven Fähigkeiten zu haben. Einige Studien haben gezeigt: Menschen, die aufgrund ihrer Genetik einen höheren Klotho-Spiegel aufweisen, sind im Alter geistig fitter und erkranken seltener an der Alzheimer-Krankheit. Könnte eine Zufuhr von Klotho-Protein womöglich als Therapie gegen geistigen Verfall im Alter dienen?
Rhesusaffen und Menschen: Geteiltes Leid im Alter
Bei in die Jahre gekommenen Mäusen wurde bereits nachgewiesen, dass eine Verabreichung von zusätzlichem Klotho-Protein positive Auswirkungen auf das Gehirn hat. Forscher der Yale University in den USA wollten nun klären, ob dies auch für Primaten – wie der Mensch einer ist – zutrifft. Als Probanden für ihre Untersuchungen dienten ihnen daher Rhesusaffen. Diese Spezies hat eine 93-prozentige phylogenetische Übereinstimmung mit dem Menschen, ist ähnlich genetisch divers und verfügt über komplexe geistige Fähigkeiten. Außerdem verkümmert mit zunehmendem Alter – ähnlich wie beim Menschen – auch beim Rhesusaffen die Gedächtnisleistung.
Gedächtnisquiz für Affen
Insgesamt 18 betagte Rhesusaffen wurden für die Studie „rekrutiert“. Diese waren durchschnittlich 21 Jahre alt, was einem Alter von ungefähr 65 Jahren beim Menschen entspricht. Die Forscher spritzten den Tieren eine einmalige Dosis an Klotho-Proteinen, sodass der Blutgehalt etwa dem eines Kleinkindes entsprach. Vor und einige Male nach der Protein-Verabreichung wurde die Gedächtnisleistung der Affen gemessen. Dafür wurde in einer von bis zu neun identisch aussehenden Boxen Futter versteckt. Die Affen sollten sich daran erinnern, wo sich das Futter befand, wobei die Schwierigkeit der Aufgabe variiert wurde.
Klotho kurbelt Affenhirne an
Bereits vier Stunden nach der Verabreichung des Klotho-Proteins wurden Verbesserungen im Gedächtnis der Affen festgestellt – bei den Tieren in der Kontrollgruppe, denen lediglich eine Kochsalzlösung als Placebo gegeben wurde, traten hingegen keine Veränderungen auf.
Diese positiven Effekte von Klotho wurden über zwei Wochen hinweg aufrechterhalten. Besonders deutlich zeigten sich die Vorteile des Wirkstoffes bei sehr kniffligen Gedächtnisaufgaben. Insgesamt sprechen die Befunde also dafür, dass die Injektion des Klotho-Proteins die Gedächtnisleistung von älteren Rhesusaffen steigert und sogar länger andauernde positive Einflüsse auf das Gehirn hat. Jedoch zeigte sich auch: Das Prinzip „mehr ist mehr“ gilt hier nicht – denn eine größere Menge an Klotho führte nicht zu noch besseren Gedächtnisleistungen als die ursprünglich verwendete geringere Dosis.
Bald Klotho-Therapien für ältere Menschen?
Trotz der vielversprechenden Befunde wurde die Studie nur an Affen durchgeführt – wirkt sich das Klotho-Protein denn auch beim Menschen positiv auf das Gedächtnis aus? Die Forscher aus Yale sind zuversichtlich, dass dies der Fall ist und Klotho bei älteren Menschen als Therapie eingesetzt werden könnte.
Noch ist jedoch zu klären, wie genau das Protein die Hirnfunktionen eigentlich moduliert. Schließlich kann es selbst nicht ins Zentrale Nervensystem gelangen. Außerdem ist noch offen, ob auch geringere Dosen effektiv sind und nach welchem Zeitraum die Wirkung wieder nachlässt. Bevor Klotho zur Behandlung bei älteren Menschen eingesetzt werden kann, ist also noch sehr viel Forschung notwendig.
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