Rund 15.000 Blutkonserven werden täglich in Deutschland benötigt, um schwere Krankheiten zu behandeln oder Unfallopfern das Leben zu retten. Dennoch kommt es immer wieder zu Engpässen. Auf der Suche nach Alternativen zu klassischen Blutkonserven gelang es Wissenschaftlern aus England in einer Studie erstmals künstlich hergestellte Bluttransfusionen an Menschen zu verabreichen. Die im Labor generierten roten Blutkörperchen, sogenannte Erythrozyten, könnten zu einer verbesserten Behandlung zahlreicher Patientengruppen beitragen.
Rote Blutkörperchen aus dem Labor
Die Studie wurde im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes zwischen NHS (National Health Service), Blood and Transplant sowie Wissenschaftlern aus Bristol, Cambridge und London durchgeführt. Die im Labor herangezüchteten roten Blutkörperchen wurden zwei Testpersonen per Transfusion verabreicht. Hierbei transfundierten die Experten lediglich kleine Mengen, um festzustellen, wie sich die Erythrozyten im Organismus verhalten. Bislang ist allgemein bekannt, dass rote Blutkörperchen für den lebenswichtigen Sauerstofftransport verantwortlich sind. Sie nehmen den eingeatmeten Sauerstoff aus der Lunge auf und verteilen ihn im ganzen Körper. Bezüglich der aktuellen Untersuchungen gingen die Forscher davon aus, dass die im Labor hergestellten roten Blutkörperchen eine längere Lebensdauer aufweisen als jene einer normalen Blutspende.
Mögliche Vorteile
Rote Blutkörperchen erneuern sich regelmäßig im Körper und haben normalerweise eine Lebensdauer von 120 Tagen, ehe sie abgebaut werden. Gleichzeitig wird jeden Tag etwa ein Prozent neu gebildet. Das entspricht bei einer Gesamtanzahl von 25 Billionen roten Blutkörperchen etwa 200 Milliarden Erythrozyten pro Tag. Eine Blutspende enthält sowohl ältere als auch jüngere rote Blutkörperchen, wohingegen sich das künstlich angelegte Blut durch die volle Lebensdauer auszeichnet. Personen, die langfristig auf Bluttransfusionen angewiesen sind, würden dank der künstlichen Variante seltener neues Blut benötigen. Auch Patienten mit ungewöhnlichen Blutgruppen könnten so besser versorgt werden.
Risiko schwerwiegender Komplikationen verringert
Zudem könnte die Versorgung dieser Patienten erleichtert und das Risiko schwerwiegender Komplikationen darüber hinaus reduziert werden. Dazu zählen beispielsweise Unverträglichkeitsreaktionen, die im Rahmen wiederholter Transfusionen entstehen, wenn der menschliche Organismus gegen transfusionierte Blutzellen Antikörper bildet. Bei Menschen, die viele Transfusionen mit roten Blutkörperchen erhalten, kann es außerdem zu Eisenablagerungen in Organen kommen – einer sogenannten Hämosiderose. Die Funktionen von Leber, Bauchspeicheldrüse oder Herz können in weiterer Folge stark beeinträchtigt werden.
So entsteht das künstliche Blut
Im Allgemeinen dauert die Herstellung etwa drei Wochen. Aus einer normalen 1-Liter-Blutspende werden zunächst die Stammzellen herausgefiltert. Diese charakterisieren sich durch eine asymmetrische Zellteilung, wodurch sowohl neue Stammzellen als auch Zellen mit spezieller Funktion entstehen können. Aus Stammzellen können somit alle möglichen spezifischen Zellen des Körpers hergestellt werden. Angesichts dieser außergewöhnlichen Fähigkeit gewinnen diese Zellarten in wissenschaftlichen Kreisen zunehmen an Bedeutung. Insgesamt sind die Forscher dazu in der Lage, aus den Stammzellen etwa 50 Milliarden Blutkörperchen zu generieren. Für die eigentliche Transplantation können davon letztendlich etwa 15 Milliarden Erythrozyten genutzt werden.
Ersatz für normale Blutspenden?
Trotz der vielversprechenden Erkenntnisse wird es in absehbarer Zeit nicht möglich sein, herkömmliche Bluttransfusionen durch künstliche Alternativen zu ersetzen – das künstliche Blut geht mit intensivem Aufwand sowie hohen Kosten einher. Aufgrund dessen ist die Medizin nach wie vor auf regelmäßige Blutspender angewiesen, die für eine stabile medizinische Versorgung als unabdingbar gelten.
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