Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit – diese und weitere Symptome können als potentielle Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion kategorisiert werden. Long COVID, Post COVID und PIMS betreffen eine zunehmende Zahl der PatientInnen noch Wochen oder gar Monate nachdem die eigentliche Erkrankung bereits vorbei ist. Eine Störung des Geruchs- und Geschmackssinns zählt ebenfalls zu den typischen Beschwerden einer Corona-Infektion, die bei über 90 Prozent aller COVID-Erkrankten auftritt. Priv.-Doz. DDr. Michael Feichtinger, ärztlicher Leiter des Wunschbaby Institut Feichtinger in Wien-Hietzing, warnt davor, dass sich dies unter anderem negativ auf Lust und Libido auswirken kann.
Sexuelle Unlust – Bin ich krank?
Abhängig von den Lebensumständen kann es vorkommen, dass das Verlangen nach Sex mal mehr mal minder groß ist – das ist unbedenklich und kein Grund zur Sorge. Wenn die sexuelle Lust bzw. das sexuelle Begehren allerdings über einen längeren Zeitraum nicht wiederkehrt oder ganz verloren geht, sprechen MedizinerInnen von einem Libidoverlust (auch sexuelle Inappetenz, Hyposexualität oder Frigidität genannt). Die dem Verlust des Lustempfindens zugrundeliegenden Ursachen können sowohl organischer als auch psychisch-sozialer Natur sein. In den meisten Fällen ist das Symptom nur vorübergehend und das sexuelle Verlangen pendelt sich wieder ein, sobald eine Adaptation der Lebensumstände stattfindet.
In diversen Umfragen gaben im Schnitt ca. 30 Prozent aller deutschen Frauen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren mangelndes Interesse an Sex an. Somit kann eine verminderte Libido als die häufigste sexuelle Funktionsstörung beim weiblichen Geschlecht angesehen werden. Bei Männern des gleichen Alters bekunden je nach Altersgruppe zwischen 14 und 17 Prozent ein vermindertes Lustempfinden. Ausschließlich der vorzeitige Samenerguss wurde von Männern noch häufiger als sexuelles Problem genannt.
Geruchs- und Libidoverlust – Zwei Seiten derselben Medaille?
Dadurch, dass eine COVID-Infektion in vielen Fällen mit Geruchsstörungen einhergeht, häufen sich nun auch die Berichte von Menschen mit sexueller Unlust. „Gemeinsam mit dem Tastsinn spielt der Geruchssinn eine zentrale Rolle bei der Lustempfindung und Libido. Bei Frauen scheint dies deutlich ausgeprägter zu sein als bei Männern. So wissen wir, dass das Geruchsempfinden bei Frauen auch über den weiblichen Zyklus variiert und Frauen rund um den Eisprung besonders gut Gerüche wahrnehmen“, so der Experte. Allein in Österreich gaben etwa 30 Prozent aller Menschen mit Geruchsstörungen an, ebenfalls ein vermindertes Lustempfinden zu verspüren.
Würde der Geruch der Partnerin bzw. des Partners nicht wahrgenommen werden können, werde diese(r) als fremd wahrgenommen, wodurch die Attraktivität und in weiterer Folge das Verlangen nach Sex dezimiert werden würden. Zudem äußerten auch viele Betroffene die Bedenken, aufgrund des fehlenden Geruchssinnes, Angst vor unangenehmen eigenen Körpergerüchen zu haben, die dann eventuell von der Partnerin oder dem Partner wahrgenommen werden könnten. „Manche PatientInnen berichten nach einer COVID Infektion außerdem von einer Parosmie, also einer Störung des Geruchsempfindens, bei welcher normale Gerüche als unangenehm wahrgenommen werden. So kann zum Beispiel der Geruch der Partnerin bzw. des Partners plötzlich unangenehm sein“, erklärt Feichtinger weiters.
Weitere Ursachen von Libidoverlust
Ein häufiger Auslöser für mangelnde Lust auf Sex sind hormonelle Umstellungen, wie sie z.B. bei Frauen in den Wechseljahren auftreten. Da die Eierstöcke in der Menopause allmählich die Östrogenproduktion einstellen und der Pegel der weiblichen Sexualhormone sinkt, lässt bei betroffenen Frauen ebenfalls oft die Libido nach. Abgesehen davon resultiert der niedrige Östrogenspiegel häufig in Scheidentrockenheit sowie einer verminderten Durchblutung von Vagina und Klitoris, weshalb es sich für Frauen fortgeschrittenen Alters schwieriger gestaltet, erregt zu werden. Ein weiterer geschlechtsspezifischer Auslöser für den weiblichen Libidoverlust kann die Geburt eines Kindes seien. Dies steht oft damit in Zusammenhang, dass sich die jungen Mütter körperlich und/oder psychisch überfordert fühlen – die sexuelle Unlust ist hier folglich situationsbedingt. Darüber hinaus können gynäkologische Erkrankungen wie Endometriose, Scheidentrockenheit oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, auch als Dyspareunie bezeichnet, dazu führen, dass Frauen keine Lust mehr auf Sex haben.
Diverse Krankheiten können ebenfalls ausschlaggebend dafür sein, dass das Verlangen nach zwischenmenschlichen Berührungen und Zärtlichkeit stagniert. Bei Hypothyreose oder Schilddrüsenunterfunktion produziert die Schilddrüse zu wenig Schilddrüsenhormone, was zur Folge hat, dass Libido sowie Fruchtbarkeit abnehmen. Herz- und Gefäßkrankheiten wie Herzschwäche (Herzinsuffizienz) oder Bluthochdruck (Hypertonie) beeinträchtigen die sexuelle Lust, ebenso neurologische Erkrankungen wie z.B. ein Schlaganfall oder Multiple Sklerose. Leberzirrhose, Nierenschwäche und Diabetes können ebenfalls als mögliche, die Libido senkende Krankheiten klassifiziert werden.
Medikamente, wie beispielsweise Antidepressiva, aber auch die Anti-Baby-Pille, Blutdrucksenker, Mittel gegen zu hohe Blutfettwerte (Lipidsenker), entwässernde Medikamente (Diuretika), Herzmedikamente sowie Haarwuchsmittel können zur Dämpfung des sexuellen Lustempfindens beitragen. Zu guter Letzt müssen an dieser Stelle auch psycho-soziale Beweggründe aufgeführt werden: Depressionen werden oftmals von einem Libidoverlust begleitet, da diese einen enormen Einfluss auf das Gefühlsleben einer Person hat. Familiäre und berufliche Belastungen, Stress und Beziehungsprobleme stellen weitere mögliche Gründe dar, weshalb jemand kein sexuelles Verlangen mehr verspürt.
Was tun, um wieder in Stimmung zu kommen?
Hinsichtlich des Corona-bedingten Libidoverlusts rät DDr. Feichtinger Betroffenen den Geruchssinn zu trainieren und regelmäßig an aromatischen Stoffen wie beispielsweise Gewürzen, Kaffee oder ätherischen Ölen zu riechen, um ihren Geruchssinn möglichst bald wiederzuerlangen – und damit einhergehend hoffentlich ihr Lustempfinden. Im Falle, dass körperliche oder psychische Erkrankungen, die für einen Libidoverlust verantwortlich sein könnten, langfristig bestehen, sollte eine Ärztin bzw. ein Arzt konsultiert werden, um jegliche Beschwerden dieser Art abzuklären. Insbesondere dann, wenn weitere Symptome auftreten, die Hinweise für eine ernste Grunderkrankung sein könnten.
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