Am 11. März 2020 rief die WHO eine Pandemie aus, verursacht durch den hochinfektiösen neuartigen Erreger SARS-CoV-2. Damit begann die größte globale Gesundheitskrise seit mehr als 100 Jahren, die Experten, Regierungen und Bevölkerung gleichermaßen forderte. Durch die Analyse früherer Pandemien können Vergleiche gezogen und mögliche Szenarien für eine zukünftige Entwicklung konstruiert werden.
Blick in die Vergangenheit, um die Zukunft zu sehen
Am Center for Infectious Disease Research and Policy (CIDRAP) der University of Minnesota befasst sich eine Arbeitsgruppe rund um Dr. Michael T. Osterholm mit der Epidemiologie der Corona-Pandemie, um eine effektive Planung bezüglich Krisenkommunikation, Testungen, Infektionsketten usw. möglich zu machen.
Die aktuelle Covid-19-Pandemie wurde hinsichtlich mehrerer Faktoren wie Verbreitung, Ansteckungsrate oder Inkubationszeit mit früheren Pandemien verglichen. Dabei erwiesen sich vergangene Grippen als besonders geeignet, um ein Modell für einen weiteren Verlauf zu bilden – obwohl sich Corona- und Influenzaviren stark unterscheiden! Die Art und Weise der Pandemien zeigt jedoch einige Gemeinsamkeiten, die einen Vergleich durchaus sinnvoll machen.
Gemeinsamkeiten von Influenza- und Corona-Pandemie
- beide wurden durch neuartige Erreger verursacht, gegen welche die Weltbevölkerung keine Immunität hatte
- Übertragung über Tröpfcheninfektion, aber auch Aerosole
- auch asymptomatische Übertragung: Krankheit kann sich oft unentdeckt verbreiten
Unterschiede
- Inkubationszeit: beträgt bei Influenza im Schnitt 2 Tage (1-4 T.), bei einer Coronainfektion jedoch durchschnittlich 5 Tage (2-14 T.). Die deutlich längere Ansteckungszeit bei Covid-19 ermöglicht eine unbemerkte Verbreitung. Eine Übertragung ist außerdem bereits möglich, bevor Symptome auftreten.
- Asymptomatische Fälle: Bei Influenza bleiben etwa 16% der Betroffenen ohne Symptome, bei Covid-19 sind es etwa 25% (neue Studien sprechen sogar von 40-45%).
- Basisreproduktionszahl (R0) = die Zahl an Personen, welche ein einzelner Infizierter durchschnittlich ansteckt. Sie wird bei Covid-19 auf 2.0 bis 2.5 geschätzt – bei der saisonalen Grippe beträgt sie etwa 1.27. Damit ist das Coronavirus nahezu doppelt so ansteckend.
- mehrere kleinere Wellen über 1-2 Jahre
Dieses Szenario geht nach dem Ausbruch im Frühling 2020 von wiederkehrenden kleineren Wellen über den Sommer und länger aus. Für 2021 wird ein schrittweises Abschwächen erwartet. Das Ausmaß kann geografisch variieren und davon abhängen, welche Maßnahmen zur Eindämmung gesetzt werden bzw. wie sie gelockert werden.
In diesem Fall können wir mit einer periodischen Verschärfung bzw. Lockerung der Maßnahmen rechnen. - erneuter Höhepunkt im Herbst mit weiteren Wellen
In diesem Szenario folgt eine zweite, noch größere Welle im Herbst/Winter 2020 und eine oder mehrere kleine Wellen 2021. Das Muster ähnelt hierbei dem der Spanischen Grippe 1918/19 wie auch der „Schweinegrippe“ 2009/10.
Eine Verschärfung der Maßnahmen im Herbst wird nötig sein, um die Kapazitäten in den Krankenhäusern zu entlasten. - langsames Abklingen ohne weiteren Höhepunkt
Hier bleibt die erste Welle im Frühling 2020 die einzige größere. Jedoch folgen kontinuierlich weitere Fälle ohne klares Muster und auch hier wird es weiterhin Todesfälle geben.
Ergebnisse der Analyse
Der Vergleich der acht größten Pandemien seit 1700 zeigte:
Bei den meisten traten keine klaren Muster bezüglich der Jahreszeit des Ausbruchs auf.
Bei sieben davon folgte auf den ersten Höhepunkt noch eine zweite größere Infektionswelle etwa sechs Monate danach. Häufig waren auch weitere, kleinere Wellen in den zwei Jahren nach dem ersten Höhepunkt.
Eine Impfkampagne beeinflusste den Verlauf dieser Pandemien selten wesentlich. Lediglich bei der „Schweinegrippe“ 2009/10, ausgelöst durch das H1N1-Virus, konnte ein Impfprogramm in den USA 700.000 bis 1.500.000 klinischen Fällen vorbeugen.
Laut Analysen wird sich die Dauer der Corona-Pandemie etwa auf 18-24 Monate belaufen, während sich schrittweise eine Herdenimmunität entwickelt. Diese erfordert, dass 60-70% der Bevölkerung immun sind. Wie lange diese Immunität vorhanden sein wird, ist allerdings noch unklar.
Auch ein Impfstoff kann den weiteren Verlauf beeinflussen – aktuell laufen dazu laut WHO 160 Projekte – Experten rechnen damit aber frühestens 2021.
Drei mögliche Szenarien
Fazit
Unabhängig vom tatsächlich eintretenden Szenario erwarten die Experten, dass Corona uns noch etwa die nächsten zwei Jahre beschäftigen wird. Dabei sind immer wieder Hot-Spots in verschiedenen Regionen möglich.
Laut den Forschern ist es wahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 weiterhin zirkulieren und ein saisonales Muster ähnlich der Grippe bilden wird. Der Schweregrad wird hierbei vermutlich zunehmend geringer, geht man nach früheren Influenza-Viren oder anderen Formen von Coronaviren.
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