Seitdem auch in Deutschland die Impfkampagne gegen das Virus SARS-CoV-2 begonnen hat, kursieren immer wieder Berichte über die Nebenwirkungen der Impfstoffe. Besonders das Vakzin des Herstellers AstraZeneca wurde verstärkt kritisiert. Es traten mehrere Fälle von Hirnvenenthrombosen bei Geimpften auf, die teilweise zum Tod führten – hauptsächlich waren jüngere Frauen betroffen. Trotzdem wurde der Impfprozess wieder aufgenommen. Empfohlen wird nun jedoch, dass nur noch über 60-Jährige mit dem AstraZeneca-Vakzin geimpft werden. Jetzt berichten Fachleute über neue Erkenntnisse zu den Nebenwirkungen.
Zu Hirnvenenthrombosen kommt es selten
Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zufolge wurden bis zum 21.04.2021 63 Fälle einer Hirn- oder Sinusvenenthrombose (SVT) nach einer Impfung mit dem Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca gemeldet. Nun berichtet die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) in einer Mitteilung über neue Erkenntnisse bezüglich der seltenen Nebenwirkungen. Eine Folge dieser Begleiterscheinungen kann sein, dass die Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut abnimmt. Dieser Vorgang wird deshalb auch als Vakzin-induzierte thrombotische Thrombozytopenie (VITT) bezeichnet. Die MHH übernahm fünf Patientinnen aus verschiedenen Kliniken in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zur Behandlung. Sie ist auch die erste deutsche Klinik, die ihre Auswertungen in Diagnostik, Krankheitsverlauf und Therapie mit der internationalen medizinischen Fachwelt teilt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Blood“ zu finden.
Thrombosen durch Immunreaktion
Laut Experten ist der Ursprung der seltenen Nebenwirkungen eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems. Hierbei werden Antikörper gegen körpereigenes Eiweiß der Blutplättchen, den Plättchenfaktor 4 (PF4), gebildet. Klinikdirektor Professor Dr. Arnold Ganser berichtet: „Bei allen betroffenen Patientinnen mit VITT haben wir PF4-Antikörper nachgewiesen“. Wenn die Antikörper an PF4 binden, können die Blutplättchen wie bei einer Wundheilung aktiviert werden. Besteht jedoch keine Blutung, können Blutgerinnsel entstehen und Thrombosen auftreten. Weitere festgestellte Symptome sind die generelle Abnahme von Blutplättchen (Thrombozytopenie) sowie Gefäßverschlüsse. Die behandelnden Ärzte stellten außerdem fest, dass sich die Thrombosen nicht nur in den Hirnvenen befanden. Auch die Venen der Bauchorgane und die Arterien in Gehirn und Beinen waren betroffen. Die Patientinnen mussten je nach Schweregrad der Erkrankung mit unterschiedlichen Methoden behandelt werden. Diese reichten von Blutverdünnern – zur Verhinderung der Thromboseausbreitung – bis zu Kortison und weiteren Arzneimitteln. Die Ärzte berichten jedoch, dass die Behandlung bei jeder Patientin erfolgreich verlief.
Schnelle und konstante Behandlungsmaßnahmen
„Für die Patientinnen war es lebensrettend, dass wir einerseits genug hochspezialisierte Intensivbetten vorhalten und andererseits eine Klinik der Maximalversorgung sind, an der Spezialisten verschiedenster Fachdisziplinen 24h am Tag, 7 Tage in der Woche zusammenarbeiten“, erklärt MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns. Laut Erstautor Dr. Andreas Tiede sei die Komplikation VITT sehr selten. Hierbei käme es auf eine frühe Diagnose und Behandlung an. Der Experte betont auch, dass Symptome wie Kopfschmerzen und leichtes Fieber ein bis zwei Tage nach der Impfung normale Anzeichen einer Immunreaktion seien. Grund zur Sorge bestünde erst, wenn starke Beschwerden über vier Tagen anhalten. In diesem Fall sollte ein Hausarzt aufgesucht werden, der ein Blutbild anfertigen und mögliche Anzeichen einer VITT ermitteln kann. „In diesem Fall muss der Patient sofort die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen“, rät der Mediziner. Die Publikation gebe nun Kliniken detaillierte Hinweise darauf, welche Behandlung im Fall am sinnvollsten sei.
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