Die Aufgabe einer Hebamme ist es, Frauen während der Schwangerschaft, Geburt und auch noch danach zu beraten und zu betreuen. Das tun sie auch schon sehr lange: Malereien aus Ägypten zeigen, dass die Hebammenkunst schon vor gut 4.000 Jahren praktiziert wurde. Doch auch heutzutage werden sie noch gebraucht, wie Daten aus der Schweiz zeigen, wo sich ein wachsender Prozentsatz der Gebärenden für die hebammengeleitete Geburt in der Klinik entscheidet. Und das ist keine schlechte Entscheidung: Die Untersuchung zeigt, dass diese Option bei risikoarmen Schwangerschaften ebenso sicher ist wie die ärztlich geleitete Geburt.
Zu viele medizinische Eingriffe bei Geburten
Eine hebammengeleitete Geburt in der Klinik bietet den Vorteil, dass Schwangere die Erfahrung intimer und ganz den eigenen Vorstellungen entsprechend gestalten können, ohne dass medizinische Hilfe weit weg ist, sollte sie doch benötigt werden. Ein ähnliches Modell etablierte sich bereits in den 1980er Jahren in Großbritannien, der Schweiz, Österreich, Dänemark und Schweden mit den sogenannten „Midwife-led maternaty units“: Sie sollten die steigende Anzahl an Eingriffen in den Geburtsverlauf bei gesunden Schwangeren reduzieren und die Geburt wieder zu einem natürlichen, weniger von der Medizin bestimmten Vorgang machen. Bei der Hebammengeburt ist kein Arzt oder Ärztin anwesend und der Ablauf wird von einer Hebamme geleitet. Zudem wird meist auf medizinische Interventionen wie die Gabe von Schmerzmitteln verzichtet.
Nicht immer ist Hebammengeburt möglich
Bei Schwangerschaften besteht immer ein gewisses Risiko, dass Komplikationen auftreten. Liegt dieses Risiko aber höher als normal, kann die Geburt nicht als Hebammengeburt geplant werden. Daher wird vorher geprüft und anhand bestimmter Kriterien entschieden, ob ein Verzicht auf medizinische Intervention und Anwesenheit eines Arztes von vornherein möglich sind. Dabei spielen der Gesundheitszustand und etwaige Vorbelastungen der Mutter, die Entwicklung des Fetus, sowie der Verlauf der Schwangerschaft eine Rolle. In Deutschland könnten laut der Weltgesundheitsorganisation WHO eigentlich 70 Prozent der Geburten ohne medizinisches Eingreifen erfolgen. Trotzdem passiert das nur in etwa 8 Prozent der Fälle.
Seltene Kaiserschnitte und kaum Intensivbetreuung nötig
Die aktuelle Studie, die in der Fachzeitschrift „BMC Pregnancy and Childbirth“ veröffentlicht wurde, sammelt Erfahrungen aus 500 Hebammengeburten über einen Zeitraum von 14 Jahren am Inselspital Bern. Dabei konnte über die Hälfte aller geplanter Hebammengeburten auch als solche stattfinden. In 43 Prozent waren ärztlicher Beizug oder medizinische Interventionen notwendig. Gründe dafür waren zum Beispiel der Wunsch zur Periduralanästhesie zur Schmerzlinderung, die Notwendigkeit der medikamentösen Geburtseinleitung, eine Beeinträchtigung des Zustandes des ungeborenen Kindes oder ein ungewöhnlicher Geburtsverlauf. Doch nur in 5 Prozent der Fälle erfolgte die Geburt per Kaiserschnitt und nur 1 Prozent der Neugeborenen musste anschließend intensivmedizinisch betreut werden.
Best of both worlds
Die Kombination aus adäquater medizinischer Versorgung und Verzicht auf medizinische Interventionen bei Geburten rückt immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Erstautorin Dr. med. Ann-Katrin Morr, Oberärztin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde erklärt: „Die Studie liefert dazu nun Zahlen: In der Schweiz kommen 97 von 100 Kindern in Kliniken zur Welt. An der Frauenklinik waren während des Beobachtungszeitraums der Studie von 2006 bis 2019 insgesamt 2.6% der Geburten geplante Hebammengeburten auf Wunsch der Frauen. Gut die Hälfte davon fand ohne ärztliche Unterstützung statt. Die Zahl der hebammengeleiteten Geburten in Kliniken hat demnach ein großes Potential an unserer Klinik und in der ganzen Schweiz.“ Die Leitende Hebamme Frau Andrea Messer bemerkt: „Insbesondere die Hebammengeburt mit einer Beleghebamme, welche die Frau bereits während der Schwangerschaft betreut und dann in der Klinik die Entbindung leitet, erfreut sich bei den schwangeren Frauen zunehmender Beliebtheit.“
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