Nachdem die Grippewelle im letzten Jahr dank Corona-Maßnahmen wie Abstands- und Maskenregeln fast komplett ausblieb, sieht es in diesem Jahr anders aus. Mitte Dezember stiegen die Fallzahlen erstmals über das sonst zu erwartende Level und läuteten somit den Anfang der Grippesaison ein. Während die Corona-Inzidenzen in Europa so schnell steigen wie noch nie, könnte nun aber auch die Influenza Grund zur Sorge bieten: Die EU-Seuchenschutzbehörde European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) berichtet, dass die Grippeviren sich dieses Jahr schneller verbreiten – womöglich durch eine neue, gefährlichere Mutation.
Kaum Immunschutz in der Bevölkerung
Normalerweise zieht sich die Grippesaison jedes Jahr etwa von Mitte Januar bis Mitte März. Mit Impfungen, die jährlich an die aktuell zirkulierenden Virenstämme angepasst werden, kann man sich vor einem schweren Verlauf schützen. Das Gesundheitsministerium ebenso wie Hausärzte legten besonders im vergangenen Herbst der Bevölkerung nahe, sich gegen Influenza impfen zu lassen, um sich selbst zu schützen und eine Doppelbelastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Das ist gerade dieses Jahr so wichtig, da die Grippewelle letztes Jahr ausblieb. Die Bevölkerung konnte keinen Immunschutz durch Infektion aufbauen; bereits zwei Jahrgänge von Kindern hatten noch nie im Leben Kontakt zu Influenzaviren. Für Fachleute war es deshalb schon früh erkennbar, dass diese Saison heftiger ausfallen würde als vorige.
Corona-Maßnahmen schützen auch vor Grippe
In den nächsten Wochen rechnen Experten mit einem weiteren Anstieg der Fallzahlen. Außerdem werde die Saison vermutlich ungewöhnlich lange andauern: Bis in den Sommer könnte Influenza in Europa grassieren, wenn die Corona-Maßnahmen aufgehoben werden. Grippe-Experte der ECDC Pasi Penttinen erklärt: „Wenn wir beginnen, alle Maßnahmen aufzuheben, habe ich die große Sorge mit Blick auf Influenza, dass wir uns vielleicht vom normalen Saisonverlauf entfernen, weil das Virus so lange Zeit fast gar nicht in der europäischen Bevölkerung zirkulierte.“ In dem Fall könne es zu einer „Twindemie“, einer Zwillings-Epidemie aus Covid-19 und Influenza kommen. Das würde die Gesundheitssysteme, die bereits mit Omikron alle Hände voll zu tun haben, übermäßig belasten, mahnt die Seuchenschutzbehörde. Die WHO Europa geht davon aus, dass bis zum 1. März 2022 in 25 Ländern eine hohe oder extreme Belastung der Krankenhausbetten und in 49 Ländern eine hohe oder extreme Belastung der Intensivstationen erreicht wird.
Impfung und antivirale Medikamente
Diesen Winter wurde bisher vor allem die Verbreitung von H3N2 Influenza-A-Viren beobachtet. Diese verursachen meist nur milde Verläufe, können für ältere und immungeschwächte Personen aber durchaus gefährlich werden. Andere Influenza-A-Viren oder Influenza-B-Viren haben sich bislang kaum verbreitet, dies könne sich aber im Laufe der Saison ändern, heißt es von Seiten der ECDC. Den Ländern rät die Behörde daher, die Situation genau zu beobachten durch entsprechendes Testen, um zu wissen, wo Grippefallzahlen hoch sind und welche Stämme sich verbreiten. Außerdem sollten Risikogruppen wie alte Menschen, Schwangere, kleine Kinder, immungeschwächte und chronisch kranke Personen möglichst geimpft werden. Zusätzlich sollten Länder bei der Behandlung von akuten Infektionen auf antivirale Medikamente setzen, um das Risiko eines schweren Verlaufs zusätzlich zu reduzieren. Individuen rät die ECDC, sich impfen zu lassen und die bekannten Corona-Maßnahmen einzuhalten, um sich und Andere zu schützen.
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