Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat Ende Februar ein Präparat für die Therapie gegen Covid-19 vorzeitig zugelassen. Dabei handelt es sich um ein Medikament des US-amerikanischen Biotech-Konzerns Regeneron, welches auch dem ehemaligen Präsident Trump während seines Krankenhausaufenthalts verabreicht wurde. Die deutsche Bundesregierung hat bereits 200.000 Dosen Antikörper-Mittel von den Herstellern Regeneron und Eli Lilly zugekauft. Doch wie funktionieren solche Medikamente überhaupt und unter welchen Umständen sind sie zur Behandlung geeignet?
Eiweiße im Kampf gegen das Virus
Antikörper sind Proteine, die der Körper als Antwort auf eine Immunreaktion herstellt. Infiziert man sich beispielsweise mit dem Coronavirus-Erreger, reagiert das menschliche Immunsystem mit der Produktion eines Abwehr-Moleküls, das die Oberflächenstrukturen des Virus angreift, es neutralisiert und somit unschädlich macht. Damit der Körper bei einer zweiten Infektion schneller reagieren kann, merkt er sich diese Strukturen. Bei Sars-CoV-2 sind Antikörper circa zwei Wochen bis 8 Monate nach einer Infektion nachweisbar. Grundsätzlich kann man zwischen mono- und polyklonalen Antikörpern unterscheiden, wobei erstere aus einem Zell-Klon im Labor entstehen und lediglich einen Teil des Spike (Virus: stachelartiges Oberflächenprotein) neutralisieren. Covid-Genesene tragen meist polyklonale Antikörper in sich, die sich gegen verschiedene Teile des Virus richten.
Gute Wirksamkeit – wenige Nebenwirkungen
Antikörper-Medikamente verschaffen dem Körper bei der Virusbekämpfung einen entscheidenden Vorsprung: Fertige Antikörper werden verabreicht, sodass eine eigenständige Immunantwort nicht mehr nötig ist und das Virus direkt bekämpft werden kann. Während Eli Lilly auf ein rein monoklonales Medikament setzt, arbeitet das Präparat von Regeneron mit einer Mischung zweier monoklonaler Antikörper. Durch diese kombinierte Zusammensetzung steigt die Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit.
Antikörper-Medikamente sind generell sehr gut erforscht und werden auch schon zur Behandlung von Krebserkrankungen oder Rheuma eingesetzt. Klinische Studien zu den Antikörper-Medikamenten gegen Covid-19 wurden bereits durchgeführt: Im Vergleich zur Kontrollgruppe traten schwerwiegende Nebenwirkungen bei Probanden, die das Regeneron-Medikament verabreicht bekamen, nicht häufiger auf. Die US-Arzneimittelbehörde FDA gibt zudem an, dass bei dem Präparat von Eli Lilly lediglich in zwei von 850 beobachteten Fällen schwere Nebenwirkungen auftraten.
Medikament verhindert Mutationsverbreitung
Bei der Vermehrung des Virus-Erregers kann es gelegentlich zu Änderungen in seiner Struktur kommen. Meist sind diese Mutationen fehlerhaft und schädlich, in seltenen Fällen jedoch nützen sie dem Virus. Mutationen wie jene aus Südafrika oder Großbritannien haben sich beispielsweise durchgesetzt, weil sie sich schneller und effizienter verbreiten. Beinhaltet ein Präparat lediglich einen einzigen Antikörper, so setzten sich Mutanten durch, die dieser Antikörper nicht erkennen kann. Medikamente mit einer Mischung aus verschiedenen Antikörpern können Virusmutanten besser angreifen und deren weitere Ausbreitung verhindern.
Begrenzte Einsatzmöglichkeiten
Die Verabreichung eines Antikörper-Medikaments ist nicht immer sinnvoll. Studiendaten zufolge profitieren Patienten, die das Medikament in den ersten 10 Tagen ab Infektion erhalten haben, am stärksten von einer Therapie mit Antikörpern. Aufgrund der Wirkweise erzielt man also zu Beginn der Erkrankung die größten Behandlungserfolge. Für Personen, die bereits auf einer Intensivstation liegen und Sauerstoffzufuhr benötigen, kommt der Wirkstoff gegen das Coronavirus schlicht zu spät. Bisher kann das Medikament nur per Infusion verabreicht werden, wofür zumindest ein einstündiger ambulanter Klinikaufenthalt notwendig ist. Mit Kosten von 2.400€ pro Dosis sind Antikörper-Medikamente außerdem nicht gerade günstig – Grund dafür ist ihre äußerst aufwendige Herstellung. Auch als Ersatz für eine Impfung kommen die neuen Präparate nicht infrage: Körperfremde Proteine werden vom Organismus nämlich abgebaut. Damit ist das Mittel an eine zeitlich limitierte Wirksamkeit gebunden und der Patient nicht vor weiteren Infektionen geschützt.
Erste Studien zu Blutplasma-Behandlung
Obwohl die Antikörper-Medikamente von Regeneron und Eli Lilly schwere Krankheitsverläufe rechtzeitig verhindern und Intensivstationen damit entlasten können, sind sie aufgrund ihrer eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten nicht für einen großflächigen Einsatz geeignet. Das Paul-Ehrlich-Institut forscht nun an einem weiteren Präparat, bei dem Rekonvaleszenten-Plasma (Blutplasma genesener Patienten) als Medikament verabreicht wird. Die Therapie mit einer Mischung aus polyklonalen Antikörpern, welche das Immunsystem der Genesenen selbst gebildet hat, könnte sehr gut vor einer Covid-Infektion oder einem schweren Verlauf der Erkrankung schützen. Nach Durchführung weiterer Studien wäre möglicherweise eine effektivere Alternative zu den derzeitigen Antikörper-Medikamenten geschaffen.
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