Sie stören die Optik, sind meist schmerzhaft und stellen ein Infektionsrisiko dar: Chronische Wunden können die Lebensqualität Betroffener stark einschränken und sich zu einer ernstzunehmenden Belastung für den Körper entwickeln. Ein internationales Forschungsteam beschloss diesen Komplikationen ein Ende zu setzen. Den Medizinern gelang es ein intelligentes Pflaster zu kreieren, das die Heilung permanenter Wunden beschleunigen soll.
Wie entstehen chronische Wunden?
Kleine Wunden im Alltag heilen in den meisten Fällen schnell wieder ab. Liegt allerdings eine gröbere Verletzung oder Grunderkrankung vor, dauert der Heilungsprozess sehr lange oder ist in manchen Fällen sogar überhaupt nicht möglich. Die Ursachen für eine derartige Blessur sind vielfältig: Sowohl Durchblutungsstörungen als auch eine Venenschwäche können der Wundheilung maßgeblich entgegenwirken. Auch Diabetes zählt als bedeutender Risikofaktor: Befindet sich zu viel Glukose im Blutkreislauf, besteht die Gefahr, dass Blutgefäße und Nerven schwerwiegenden Schaden nehmen. Die daraus resultierende mangelhafte Durchblutung beeinträchtigt die Versorgung des Gewebes und trägt somit zur chronischen Wundentwicklung bei.
Beim Heilungsprozess ist darüber hinaus der Einsatz unseres Immunsystems gefragt. Sind die Abwehrmechanismen allerdings geschwächt, geht der Heilungsvorgang nur langsam vonstatten. Durch externe Einflüsse kann das Gewebe ebenfalls stark beschädigt werden – dies zeigt sich häufig in Form von großflächigen, tiefen Wunden. Obwohl der menschliche Organismus über ausgefeilte Heilmechanismen verfügt, stoßen diese bei gravierenden Verletzungen an ihre Grenzen.
Multifunktionaler Wundschutz
Eine internationale Expertengruppe, welche sich aus Spezialisten aus Südkorea, Deutschland und den USA zusammensetzt, entwickelte im Rahmen eines umfangreichen Forschungsprojekts ein heilungsförderndes Wundpflaster. Den Forschern zufolge sei es möglich den Wundschutz an die individuellen Bedürfnisse der Patienten anzupassen. Das neu kreierte Pflaster zeichnet sich vor allem durch seine Multifunktionalität aus: Es wirkt nicht nur antibakteriell, sondern versorgt die sogenannte Läsion darüber hinaus mit Feuchtigkeit und Sauerstoff. Zudem trägt es zur Bildung von neuem Gewebe bei. Die Steuerung wird durch die Bestrahlung mit einem speziellen Licht ermöglicht, das zugleich die Wirkung aktiviert.
Optimale Versorgung dank Hydrogel
Die vielversprechende Entwicklung basiert auf einem bestimmten medizinischen Hydrogel. Aufgrund der hohen Wasserkonzentration von 90 Prozent und den umfangreichen Zwischenräumen auf der Mikroskala ist es möglich permanente, trockene Wunden optimal zu pflegen. Den wichtigsten Bestandteil bilden allerdings die antibakteriellen Zinkoxid-Mikroteilchen: Diese Partikel reagieren auf Lichteinwirkung und sind mit heilfördernden Proteinen ausgestattet. Sobald diese Eiweißstoffe zellschonender grüner Beleuchtung ausgesetzt werden, stimulieren sie die Produktion neuer Arterien. Dank der verbesserten Blutversorgung regeneriert sich das Gewebe, wodurch die Verwundung schlussendlich heilen kann.
Verbessertes Therapiekonzept
„Indem wir die Wirkung des Pflasters mit Licht steuern, können wir den Verlauf und die Dosierung der Therapie an die individuellen Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten anpassen“, erklärt Rainer Adelung, Professor für Funktionale Nanomaterialien am Institut für Materialwissenschaft. In der Werkstoffwissenschaft wird eine derartige Substanz als „smart“ bezeichnet, da sie eigenständig auf externe Reize reagiert und effektiv reguliert werden kann. Hydrogelpflaster mit einer ähnlichen Funktionsweise befinden sich zwar schon auf dem Markt, allerdings wird der therapeutische Effekt bei diesen Modellen durch Hitze oder elektrische Signale hervorgerufen. „Diese Konzepte haben jedoch den Nachteil, dass sich dabei auch die Wunde erwärmt und Hydrogele sich zu zersetzen beginnen“, betont Adelung.
Direkte Anwendungsmöglichkeiten
Die Forscher intendieren das multifunktionale Pflaster in zahlreichen Kliniken zu etablieren. Der Wundschutz könnte in den medizinischen Einrichtungen mittels 3D-Drucker eigenständig hergestellt werden. Durch den Einsatz von hellgrünen LEDs sei es möglich das Produkt unmittelbar an Betroffenen anzuwenden. Dank dem 3D-Druck könne sowohl der Umfang des Pflasters als auch die Konzentration der Zinkoxidpartikel sowie die Proteinart auf das Individuum abgestimmt werden. Trotz des beständigen Fortschritts sahen sich die Wissenschaftler während ihrer Untersuchungen jedoch mit Problemen konfrontiert: Die benötigten Zinkoxidpartikel entsprachen ursprünglich nicht den technischen Eigenheiten des 3D-Druckers. Nach weiteren Analysen waren die Experten aber dazu in der Lage eine Methode auszuarbeiten, um die keimhemmenden Partikel gemeinsam mit den Hydrogelen zu drucken.
Wirkung bereits unter Beweis gestellt
Der antibakterielle Effekt des Produktes konnte bereits im Verlauf weiterer Experimente unter Beweis gestellt werden: Mediziner des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein legten das neu entwickelte Präparat für 72 Stunden auf einen Bakterienteppich. Die Resultate sprechen für sich: Die Keime konnten sich in einem Umkreis von mehreren Millimetern um das Pflaster nicht weiter vermehren. „Hierfür haben wir zwei typische Wundkeime verwendet, die sich in ihrem Aufbau grundlegend unterscheiden: Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa. Das Pflaster zeigte bei beiden Grundtypen eine therapeutische Wirkung, was auf einen universalen Effekt schließen lässt”, berichtet Dr. Gregor Maschkowitz, medizinischer Fachmikrobiologe am UKSH.
Ergebnisse aus Südkorea unterstreichen ebenfalls die Funktionalität des Pflasters: Erste Tests an Lebendmodellen deuten auf eine gute Verträglichkeit sowie eine verbesserte Wundheilung hin. Als nächsten Schritt planen die Fachleute die Lichtregulation weiter auszufeilen, um in Zukunft eine noch effektivere Behandlungsmethode anbieten zu können.
Rudi Sterzer
02.04.2023 16:31Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass es chronische Wunden gibt. Leider hat mein Großvater eine davon, wobei die Wundversorgung recht aufwendig ist. Interessant, dass heilfördernden Proteine dabei helfen können.