Die Alzheimer-Krankheit wird einerseits durch einen fehlerhaften Abbau von Beta-Amyloid, einem natürlichen, im Körper vorkommenden Eiweiß, verursacht. In Folge entstehen giftige Oligomere, die sich zwischen den Nervenzellen ablagern. Andererseits spielt auch eine chemische Veränderung des Tau-Proteins eine wichtige Rolle beim Verlauf der Krankheit. Denn normalerweise sorgt dieses für die Stabilität und Nährstoffversorgung der Körperzellen – bei der Krankheit funktioniert dies jedoch nicht mehr so wie vorgesehen. Mittels Positronen-Emmissions-Tomographie (PET) ist es nun einem internationalen Forscherteam gelungen weitere Erkenntnisse rund um das Tau-Protein zu erlangen, indem vier neue Subtypen bei Alzheimer identifiziert wurden.
Alzheimer ist nicht gleich Alzheimer
Vor etwa 30 Jahren fanden Wissenschaftler erste Hinweise darauf, dass die Veränderung des Tau-Proteins ursächlich für die Entstehung von Alzheimer steht. In den bisherigen Studien wurde jedoch angenommen, dass es dafür nur ein einziges anwendbares Lehrmodell gäbe. Dennoch kamen immer wieder Fälle bei Patienten vor, die nicht in die geltende Tau-Pathologie passten. Das bereitete auch den Wissenschaftlern Kopfzerbrechen, die sich daraufhin eingehend mit den verschiedenen Verläufen der Krankheit beschäftigten. Um ein möglichst aussagekräftiges Bild zu erlangen, wurde für die Studie die bislang größte und vielfältigste Kohorte mithilfe eines bildgebenden Verfahrens der Nuklearmedizin – der PET – durchgeführt. Insgesamt wurden dabei die Langzeitdaten von 1.143 Teilnehmern ausgewertet, die an verschiedenen Stadien der Erkrankung litten: Angefangen von leichten Gedächtnisstörungen bis hin zu einer voll entwickelten Demenz.
Alzheimer-Krankheit muss neu bewertet werden
„Im Gegensatz zu unserer bisherigen Interpretation der Ausbreitung von Tau im Gehirn deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass die Tau-Pathologie im Gehirn nach mindestens vier verschiedenen Mustern variiert“, erklärt hierzu Studienhauptautor Jacob Vogel von der kanadischen McGill University. Die zeige, dass Alzheimer noch heterogener, also ungleichartiger sei als bislang angenommen. Eine typische Alzheimer-Krankheit gebe es laut diesen Erkenntnissen nicht. Der nächste Schritt sei nun „das Konzept von typischer Alzheimer neu zu bewerten und auf lange Sicht auch die Methoden, die wir verwenden, um das Voranschreiten der Krankheit einzuschätzen“, so Vogel weiter. Das wirft nun weiters die Frage auf, ob die vier gefundenen Subtypen unterschiedliche Behandlungen benötigen. Weitere Forschungen an verschiedenen Medikamenten, die die Menge des Tau-Proteins im Gehirn steuern, sind daher dringend erforderlich.
Die vier neuen Alzheimer-Subtypen:
- Subtyp 1: Tau-Proteine breiten sich vorwiegend im Schläfenlappen des Gehirns aus und beeinträchtigen dabei vor allem das Gedächtnis. Diese Form trat in 33 Prozent der untersuchten Fälle auf.
- Subtyp 2: Anders als der erste Subtyp findet sich diese Variante hauptsächlich in der Großhirnrinde. Betroffene leiden unter geringeren Gedächtnisproblemen als beim ersten Subtyp, haben aber größere Schwierigkeiten mit exekutiven Funktionen – beispielsweise der Fähigkeit, eine Handlung zu planen und auszuführen. Etwa 18 Prozent der untersuchten Fälle sind davon betroffen.
- Subtyp 3: Die Anhäufung des Tau-Proteins zeigt sich hier vor allem im visuellen Kortex. Dieser Teil des Großhirns ist für die Verarbeitung und Klassifizierung von Informationen des Sehnervs zuständig. Betroffene dieses Subtyps leiden deshalb unter Beeinträchtigungen der visuell-räumlichen Verarbeitung von Sinneseindrücken im Gehirn. Schwierigkeiten bei der Orientierung sowie der Erkennung und Abschätzung von Formen und Konturen, Entfernungen, Bewegungen und der Lage von Objekten im Verhältnis zu anderen Objekten sind für diese Unterart typisch. Diese Form trat in ungefähr 30 Prozent der untersuchten Fälle auf.
- Subtyp 4: Eine asymmetrische Ausbreitung des Tau-Proteins führt in der linken Hemisphäre zu weiteren Beeinträchtigungen, wobei vor allem die Sprachfähigkeit eingeschränkt ist. Diese Unterart trat bei 19 Prozent der Studienteilnehmer auf.
Gleichmäßige Verteilung der Subtypen
Um herauszufinden, wie die verschiedenen Subtypen bei Alzheimer-Erkrankten verteilt sind, wurden die Patientendaten durch sogenanntes maschinelles Lernen und spezielle Algorithmen analysiert. Anschließende Nachuntersuchungen und Validierungen führten schließlich zu den vier entdeckten Unterarten: „Wir haben vier klare Muster der Tau-Pathologie identifiziert, die sich im Laufe der Zeit unterscheiden“, ergänzt Studienleiter Oskar Hansson von der Lund Universität in Schweden. Bezogen auf die Verteilung (Prävalenz) schwankt diese etwa zwischen 18 und 30 Prozent. „Das bedeutet, dass alle diese Varianten von Alzheimer tatsächlich recht häufig sind und keine einzelne dominiert, wie wir vorher dachten“, meint auch Hansson.
Wegweisend für individuellere Behandlung
„Die vielfältigen und großen Datenbanken der Tau-PET, die heute existieren, gemeinsam mit neu entwickelten Methoden des maschinellen Lernens, die auf große Datenmengen angewendet werden können, haben es uns ermöglicht, diese vier Subtypen von Alzheimer zu entdecken und zu charakterisieren“, fasst Hansson die Studie zusammen. Folgestudien der nächsten fünf bis zehn Jahre werden diese Muster noch genauer bestätigen müssen. Die Forschenden glauben aber daran, dass die gewonnenen Erkenntnisse neue individuellere Behandlungsmethoden für Patienten ermöglichen können.
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