Depression gilt als die häufigste mentale Erkrankung der Welt. Trotz der hohen Prävalenz sind die Faktoren, die zum Auftreten der Krankheit führen, auch heute noch unzureichend erforscht. Medizinern gelang es nun allerdings die Rolle eines bedeutenden Hormons im Entstehungsprozess zu entschlüsseln.
Bedeutende Hormonwechselwirkung entdeckt
Forscher des Imperial College London kamen in Kooperation mit der University of South Carolina zu der Erkenntnis, dass sich die Ausschüttung des Protein-Moleküls Histamin auf die Serotoninaufnahme auswirkt. Serotonin gilt im Allgemeinen als Glückshormon: Es wirkt sowohl stimmungsaufhellend als auch schlaffördernd und reguliert darüber hinaus den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Wird zu wenig Serotonin produziert, beklagen sich Betroffene meist über Antriebslosigkeit, Reizbarkeit und schlechte Laune.
Genau wie bei Serotonin handelt es sich auch bei Histamin um ein sogenanntes biogenes Amin. Darunter wird ein Molekül verstanden, das bei Eiweißumstrukturierungen entsteht. Der Naturstoff ist in zahlreichen Lebensmitteln enthalten, kann allerdings gleichermaßen vom Körper selbst hergestellt werden. Falls im menschlichen Organismus Entzündungen auftreten, tragen Histamine dazu bei die Durchblutung am Infektionsherd zu erhöhen. Die gut durchblutete Entzündungsstelle wird in weiterer Folge mit Immunzellen durchflutet, die Infektionen effektiv entgegenwirken.
Entzündungen begünstigen Depressionen
Obwohl Entzündungen in erster Linie mit Infektionen assoziiert werden, können auch andere Faktoren wie permanenter Stress, allergische Reaktionen oder chronische Erkrankungen zu einer Inflammation führen. Bereits in früheren Forschungsarbeiten konnte ein Zusammenhang zwischen Entzündungen und Depressionen belegt werden. Die aktuellen Studienergebnisse bieten nun einen möglichen Erklärungsansatz für diese Korrelation. „Entzündungen könnten bei Depressionen eine große Rolle spielen, und es gibt bereits deutliche Hinweise darauf, dass Patienten, die sowohl an Depressionen als auch an schweren Entzündungen leiden, am ehesten nicht auf Antidepressiva ansprechen“, erklärt Studienhauptautorin Dr. Parastoo Hashemi vom Imperial Department of Bioengineering.
Ausbaufähige Behandlungsmethode
Die Experten vermuten, dass Histamin bei der Entstehung von Depressionen eine zentrale Rolle einnimmt. Die entdeckte Wechselwirkung mit dem Wohlfühl-Botenstoff Serotonin könnte dazu beitragen die hormonbasierte Depressionstherapie zukünftig noch effektiver zu gestalten. Aufgrund der antidepressiven Wirkung von Serotonin wird der Neurotransmitter schon lange in Behandlungen eingesetzt. Häufig erfolgt die Therapie in Form sogenannter Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die dafür sorgen, dass sich das Glückshormon im Gehirn verbreitet und somit depressionstypische Symptome bekämpft. Allerdings erweist sich dieses Behandlungskonzept nicht in allen Fällen als zielführend. Die Gründe für diese Ineffektivität waren bisher noch unklar. Wissenschaftler gingen jedoch schon länger davon aus, dass Wechselwirkungen in Neurotransmittern oder chemischen Botenstoffen die Wirksamkeit hemmen könnten.
These durch Experiment bestätigt
Um potenzielle Zusammenhänge aufzudecken, untersuchte eine Expertengruppe die Verbindung zwischen Serotonin, Histamin und Serotonin-Wiederaufnahmehemmern anhand von Mäusen. Die Mediziner implantierten Mikroelektroden in den Hippocampus der Tiere, um den Serotoningehalt in Echtzeit zu messen. Anschließend wurde einer Mäusegruppe entzündungsförderndes Lipopolysaccharid injiziert. Die Kontrollgruppe erhielt lediglich eine Kochsalzlösung. Während der Serotoninanteil im Gehirn der Kontrolltiere stabil blieb, reduzierte er sich bei den restlichen Mäusen innerhalb weniger Minuten drastisch. Den Forschern zufolge sei dies ein eindeutiger Beleg dafür, wie schnell sich körperliche Entzündungen auf den Serotoninspiegel auswirken. Da Lipopolysaccharide nicht dazu in der Lage sind die Blut-Hirn-Schranke zu passieren, sei eine direkte Auswirkung auf das Gehirn auszuschließen.
Histamin beeinträchtigt den Therapieerfolg
Im Rahmen weiterer Experimente stellten die Wissenschaftler fest, dass durch die Inflammation Histamin im Gehirn ausgeschüttet wurde. Der Naturstoff akkumulierte sich an den Rezeptoren der Serotonin-Neuronen, was in einer beeinträchtigten Serotoninaufnahme resultierte. Angesichts der Tatsache, dass sich diese hemmenden Rezeptoren auch im menschlichen Körper befinden, seien die Resultate höchstwahrscheinlich ebenso auf den Menschen anwendbar. Des Weiteren veranschaulichten die Wissenschaftler anhand der Experimente, dass die Wirksamkeit der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer durch Entzündungsreaktionen stark geschwächt wurde. Die Mediziner führen diesen Effekt auf die serotoninhemmende Wirkung des Histamins zurück. Diese Annahme bestätigte sich, als die Tiere mit Entzündungen histaminverringernde Medikamente erhielten, denn schon nach kurzer Zeit normalisierte sich der Serotoninspiegel wieder.
Effektive Behandlungsmöglichkeiten in Aussicht
Die erzielten Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass eine Wechselwirkung zwischen Serotonin und Histamin nicht nur den Verlauf von Depressionen, sondern auch die Behandlung der Krankheit beeinflussen kann. Das Erfassen dieser Stoffe würde eine frühzeitige Diagnose begünstigen und Medizinern ermöglichen basierend auf den Messungen eine geeignete Therapiemethode auszuwählen. Zudem könnte die Effektivität bestimmter Antidepressiva durch die Ergänzung histaminreduzierender Medikamente gesteigert werden. Bevor die Forscher das Therapiekonzept jedoch in die Tat umsetzen können, sind noch weitere Untersuchungen am Menschen notwendig.
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