„Frauen können nicht einparken und Männer hören nicht zu?!“ Es gibt unzählige Stereotypen über die beiden Geschlechter, viele davon sind aus gesellschaftlichen Einflüssen entstanden. Doch auch bezüglich Psyche und Gesundheit gibt es Ungleichheiten. So treten Autismus und Parkinson eher bei Männern auf, während Frauen häufiger unter Depressionen leiden.
Doch wie weit reichen die biologischen Unterschiede von Mann und Frau tatsächlich? In einer großangelegten Forschung wurden Hirnscans unter die Lupe genommen und die Ergebnisse sind teils überraschend.
Studie untersuchte Aufbau und Struktur des Hirns
Am National Institute of Mental Health in Bethesda werteten Forscher die Hirnscans von 976 Männern und Frauen zwischen 22 und 35 Jahren aus. Sie untersuchten Struktur, Aufbau und Aktivität des Gehirns. Im Speziellen verglichen sie dabei das Volumen verschiedener Areale der grauen Hirnsubstanz des Cortex (Großhirnrinde). Ziel dabei war ein besseres Verständnis dafür, inwiefern geschlechtsspezifische Unterschiede im Hirn vorhanden sind und welche Bedeutung sie für Kognition und Verhalten haben.
Unterschiede im Hirnvolumen von Mann und Frau
Das Ergebnis der Untersuchung: Es gab tatsächlich ein stereotypes Muster von Unterschieden in gewissen Regionen der grauen Hirnsubstanz. Frauen wiesen ein größeres Volumen in Teilen des vorderen Cortex sowie in Teilen des Scheitel- und Schläfenhirns auf. Bei Männern war die Hirnrinde im hinteren Bereich des Hirns dicker, so etwa auch im primären Sehzentrum.
„Die Regionen, in denen das Volumen der grauen Hirnsubstanz bei Männern größer ist, sind meist an der Objekterkennung und der Verarbeitung von Gesichtern beteiligt“, berichten die Forscher. Die bei Frauen ausgeprägteren cortikalen Regionen seien dagegen mit der Kontrolle von Aufgaben, der Impulskontrolle und der Verarbeitung von Konflikten verknüpft.
Wie sind die Differenzen zu erklären?
Basierend auf Studien mit Mäusen wurde lange vermutet, dass Hormone für die anatomischen Differenzen verantwortlich sind. Neuere Forschungen zeigen jedoch etwas anderes. Demnach hängen diese Differenzen mit der geschlechtsspezifischen Genexpression zusammen. Das grundsätzlich vorhandene Erbgut wird nämlich in verschiedenen Körperteilen und Individuen unterschiedlich genutzt. Dies führt aufgrund der aktiveren jeweils beteiligten Gene etwa zur stärkeren Körperbehaarung bei Männern. Bei Frauen sind wiederum jene Gene aktiver, die an der Fettspeicherung beteiligt sind.
Gene haben mehr Einfluss als gedacht
Um diesen Zusammenhang auch beim Hirn zu überprüfen, untersuchte das Forschungsteam Karten der Genexpression in Hirngewebeproben von sechs verstorbenen Spendern. Diese verglichen sie anschließend mit den Unterschieden des Volumens der Hirnsubstanz. Das Ergebnis: Auch bei der Aktivität der Gene in den Hirnzellen gab es ein deutliches Muster. Hirnregionen mit relativ hoher Expression der Geschlechtschromosomen waren auch jene, die bei Männern mehr Volumen aufwiesen.
Regionen, die bei Frauen dicker waren, zeigten eine geringere Aktivität der X- und Y-Chromosomen.
Die Ergebnisse passten auch mit früheren Studien von Mäusen zusammen und bestärken die Annahme, dass die menschliche Gehirnanatomie zumindest teilweise von genetischen Mechanismen abhängt. Geschlechtsspezifische Unterschiede im Hirnvolumen werden wahrscheinlich von Genen beeinflusst, die auf den X- bzw. Y-Chromosomen lokalisiert sind.
Weitere Forschung notwendig
„Viele genetische und Umweltfaktoren können die Gehirnentwicklung von Männern und Frauen beeinflussen. Es ist schwierig, Experimente in Menschen durchzuführen, daher stützen wir uns oft auf Beobachtungsdaten, um Einflussfaktoren abzuleiten“, so die Forscher.
Die Vergleichbarkeit mit einer großen Menge an weiteren Daten lässt aber die Schlussfolgerung zu, dass die anatomischen Unterschiede nicht allein aus Umwelteinflüssen entstanden sind.
Weitere Untersuchungen müssen erst noch zeigen, was genau die neue Erkenntnis der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Hirn bedeutet. Mehr Forschung könnte genetische Faktoren für das Verhalten und die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten aufzeigen.
Genaueres zu Aufbau, Funktion und möglichen Krankheiten des Gehirns erfahren Sie hier:
Christian
22.07.2020 08:47Ich kann definitiv besser zuhören als einparken, was stimmt mit mir nicht …?!