Schon seit einigen Jahrzehnten beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Entwicklung von Impfstoffen gegen Krebs. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse wirkten sich unter anderem auf die rapide Herstellung der Covid-19-Impfstoffe aus. Warum die Krebstherapie nun umgekehrt vom aktuellen Forschungsstand der Covid-19-Impfungen profitiert, hat Guido Wollmann vom Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck kürzlich in einer Pressemitteilung erklärt.
Krebsimpfungen legen solide Basis
Der Fortschritt der Vakzin-Technologien bezüglich möglicher Krebsimpfungen ist mitunter ein wichtiger Grund für die rasche Entwicklung der mRNA-basierten Covid-19-Impfstoffe, erläutert Wollmann. Diese RNA-Plattformen, die individuell mit RNA-Elementen von SARS-CoV-2 oder Tumormutationen bestückt werden können, werden in der Krebstherapie bereits seit Jahren in klinischen Studien mit mehreren Tausend Teilnehmern sehr gut charakterisiert. Die massenhafte Anwendung der Covid-19-Impfstoffe trage wiederum dazu bei, dass in Bezug auf die Zulassung von neuartigen, biologischen Therapieplattformen zusätzliche Argumente bezüglich der regulatorischen Prozesse, wie der Sicherheitsprofile, der klinischen Testphasen sowie des Upscaling-Prozesses bestehen. Das begünstige weiters die zukünftige Erforschung und Entwicklung von Krebsvakzinen.
Unterschied zwischen mRNA- und Vektor-Impfstoffen
Bei mRNA-Impfstoffen wird durch die Beigabe von kurzlebigen, genetischen Informationen, wie beispielsweise eines viralen Proteins oder eines körpereigenen Tumor-Proteins, durch eigene Körperzellen ein entsprechendes Protein gebildet, ergänzt der Virologe. Damit wird versucht, nur den Bereich einer Mutation zu kodieren. Es handelt sich somit um fremde Bestandteile, die zwar vom Immunsystem erkannt werden, aber selbst keine Funktion mehr besitzen.
Beim Vektorimpstoff werden Viren beinahe vollständig entkernt, mit genetischen Informationsbestandteilen des SARS-CoV-2 als DNA-Stück ausgestattet und als Fähre benutzt. Der Körper erkennt weiterhin den entkernten Virus als aktiven Virus und kann neben der Reaktion auf Covid-19 zusätzlich eine Anti-Vektor-Immunantwort generieren. Onkolytische Viren werden hingegen nicht entkernt, da diese sich lediglich im Tumor vermehren und diesen indirekt abtöten sollen. Durch eine gezielte Injektion in den Tumor greifen diese Viren den Krebs also an und lösen dabei eine Entzündung aus, auf die das Immunsystem letztendlich aufmerksam wird.
Forschungsgebiete profitieren voneinander
Nach Wollman kann die Forschung an Vektor-basierten Krebstherapien von den Erkenntnissen über immunologische Wechselwirkungen zwischen der Immunreaktion gegen das Corona- oder Tumor-Protein und der Anti-Vektor-Immunantwort nur profitieren. Auch die aktuelle, intensive Erforschung von Covid-Mischimpfungen zieht Parallelen zu mehreren, bereits seit über zehn Jahren in der experimentellen Krebstherapie untersuchten Studien, die sich mit der Körperreaktion auf Impfstoff-Kombinationen von Krebsvakzinen beschäftigen. Ebenfalls am Vormarsch sind Adenoviren, die seither eine effektive, wenn auch nur eine temporäre Immunität, generieren. Die Hersteller der weltweit derzeit vier zugelassenen Adenovirus-basierten Covid-Vektorimpfstoffe nutzen unterschiedliche, sehr selten beim Menschen vorkommende Subtypen dieser Virenart, um eine bereits vorhandene Vektor-Immunität auszuschließen. Aufgrund dieser Immunität gegen spezifische Adenoviren werden in der Tumortherapie onkolytische Adenoviren und andere onkolytische humane Viren direkt in den Tumor eingebracht.
Onkolytische Viren in der Krebsbehandlung zeigen Erfolge
Das auf einem modifizierten Herpesvirus basierende „T-Vec“, das im Jahr 2015 in den USA und in Europa als erstes onkolytisches Virus zur Tumorbehandlung des malignen Melanoms zugelassen wurde, verzeichnet bisher sehr gute Behandlungserfolge, so Wollmann. Der Impfstoff infiziert gezielt die zu behandelnde Krebszelle und zerstört diese, indem eine starke Immunantwort gegen die Tumormutation ausgelöst wird. Damit werde auch eine erneute Regeneration der Krebszellen verhindert. Das lässt sich auch anhand der hohen Ansprech- sowie Überlebensrate bei T-Vec nachweisen und ermöglicht zudem eine langfristige Kontrolle bis hin zur Tumorgenese selbst. Diesen Erfolg verspricht sich Wollmann für alle onkolytischen Viren, denn mittlerweile gibt es ein breites Spektrum an klinischen Studien bezüglich onkolytischen Viren, die beinahe nahtlos mit jeder Immuntherapie kombiniert werden können.
Kaum Nebenwirkungen
Krebsimpfungen seien zudem gut verträglich und bringen nur wenig Nebenwirkungen mit sich. Die RNA-Anwendung in Impfstoffen gilt als allgemein sicher und das Nebenwirkungsprofil von Krebsvazkinen sei im Vergleich zur Chemotherapie deutlich geringer, bestätigt auch Wollmann. Teil der Immunantwort seien etwa grippeähnliche Behandlungsreaktionen, die durch den Körper gezielt aktiviert werden. Lediglich seltene allergische Reaktionen seien auf die Nanopartikelhülle der RNA-Schutzblase zurückzuführen und nur dann, wenn eine allergische Vorgeschichte gegen den Stabilisator Polyethylenglykol (PEG) selbst vorliegt. Durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen bei der Impfung kann dieses Risiko aber weiter minimiert werden.
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