Lange Zeit wurde Fruktose als gesunde Alternative zum gewöhnlichen Haushaltszucker angepriesen. Dass es sich hierbei um eine fatale Fehleinschätzung handelt, verdeutlicht eine aktuelle amerikanische Studie. Den Forschern zufolge stehe ein erhöhter Fruktosekonsum nicht nur mit Fettleibigkeit in Verbindung, sondern würde darüber hinaus bestimmte Krebsarten begünstigen.
Fruchtzucker verändert unseren Darm
Im Rahmen eines Forschungsprojektes untersuchten Mediziner der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, inwieweit sich eine fruktosereiche Ernährung auf die Darmflora auswirkt. Im Zuge dessen analysierten die Fachleute die sogenannten Darmzotten, die eine zentrale Rolle bei der Nährstoffverwertung einnehmen. Die Fachleute setzten ihre Experimente mithilfe eines Mausmodells um. Tatsächlich gelang es den Wissenschaftlern zu beweisen, dass Fruchtzucker die Darmgesundheit beeinflusst: Im Vergleich zur Kontrollgruppe wiesen Mäuse, die mit fruktosehaltiger Nahrung gefüttert wurden, wesentlich verlängerte Darmzotten auf. Diese Veränderung förderte eine ausgeprägte Nährstoffabsorption, welche wiederum zu einer signifikanten Gewichtszunahme führte.
Erhöhtes Darmkrebsrisiko nachgewiesen
„Fruktose unterscheidet sich strukturell von anderen Zuckerarten wie Glukose und wird anders verstoffwechselt. Unsere Forschung hat ergeben, dass der Hauptmetabolit der Fruktose die Ausdehnung der Darmzotten fördert und das Wachstum von Darmtumoren unterstützt“, berichtet Studienautor Dr. Marcus D. Goncalves. Frühere Studien der Expertengruppe konnten bereits eine Korrelation zwischen gesteigertem Fruktosekonsum und einem erhöhten Darmkrebsrisiko belegen. Zudem stellten die Mediziner damals fest, dass das Erkrankungsrisiko durch einen gehemmten Fruktosestoffwechsel reduziert werden kann.
Fruktose begünstigt Fettleibigkeit
Da die Forscher ein fruktosebedingtes Wachstum des Dünndarms als sehr wahrscheinlich einschätzten, analysierten sie das Gewebe der Versuchstiere mit dem Mikroskop. Als die Spezialisten eine Abänderung der Darmzotten bemerkten, wollten sie herausfinden, ob sich diese Veränderung auch auf die Funktionsweise der Zotten auswirkt. Somit teilten sie die Tiere in drei Gruppen ein: Während eine Gruppe normale fettarme Nahrungsmittel erhielt, wurde die zweite Gruppe einer fettreichen Ernährung ausgesetzt. Die Mäuse der dritten Gruppe ernährten sich von fettreichem Futter mit Fruktosezusatz. Bei der Evaluierung der Daten stellte sich heraus, dass die Tiere der dritten Versuchsgruppe nicht nur längere Zotten entwickelten, sondern darüber hinaus auch bedeutend mehr an Gewicht zunahmen als jene Mäuse, welche fettreiche Nahrung ohne Fruktose verzehrten.
Fruktosemetabolit als wichtiger Faktor entlarvt
Die Experten beschlossen diesen Stoffwechselveränderungen auf den Grund zu gehen. Nähere Untersuchungen offenbarten, dass sich ein bestimmter Fruktosemetabolit, das sogenannte Fruktose-1-Phosphat, in großen Mengen ansammelte. Dieser Metabolit trägt dazu bei den Stoffwechsel stets mit ausreichend Fruktose zu versorgen. Die Forscher konnten feststellen, dass das Phosphat mit einem gewissen Enzym namens Pyruvatkinase in Verbindung tritt, welches für den Glukoseabbau zuständig ist. Den Medizinern zufolge sei die Vergrößerung der Zotten auf die Interaktion zwischen diesen beiden Stoffen zurückzuführen. Sobald der Austausch nämlich durch die Entfernung des Pyruvatkinase-Enzyms unterbunden wurde, nahm Fruchtzucker keinen Einfluss mehr auf die Zottenlänge. Fruktose-1-Phosphat sei laut den Fachleuten keinesfalls ungefährlich: Frühere Forschungen belegten bereits, dass dieser Fruktosemetabolit zum Tumorwachstum im Darm beiträgt.
Phänomen evolutionär bedingt
Der Studienautor Samuel R. Taylor versucht dieses Stoffwechsel-Phänomen aus evolutionärer Sicht zu erklären: „Bei Säugetieren, insbesondere bei winterschlafenden Säugetieren in gemäßigten Klimazonen, ist Fruktose in den Herbstmonaten, wenn die Früchte reif sind, sehr gut verfügbar. Der Verzehr von viel Fruchtzucker kann diesen Tieren helfen, mehr Nährstoffe zu absorbieren und in Fett umzuwandeln, welches sie brauchen, um den Winter zu überstehen.“
Kein kompletter Verzicht erforderlich
Trotz der potenziell gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Fruktose sei es laut dem Mediziner nicht notwendig, den Einfachzucker vollständig vom Speiseplan zu streichen. Solange sich der Konsum in Grenzen hält, sei Fruchtzucker nicht dazu fähig, seine schädliche Wirkung zu entfalten. Als nächsten Schritt plant das Forschungsteam im Rahmen weiterer Experimente gezielt gegen die Zottenvergrößerung und die daraus entstehenden Fettansammlungen vorzugehen. Falls dies gelingt, hätten Mediziner möglicherweise auch die Möglichkeit, fruktosebedingte Tumore effektiver zu therapieren. Bevor die nächsten Forschungsprojekte jedoch in die Tat umgesetzt werden, müssen die Experten zunächst überprüfen, ob sich die gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen anwenden lassen.
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