Ohne Immungedächtnis wäre der menschliche Organismus nicht dazu in der Lage, Antikörper zu bilden. Obwohl dieser Teil des körperlichen Abwehrsystems also einen zentralen Stellenwert bei der Bekämpfung von Krankheitserregern einnimmt, gelten die genauen Hintergründe auch heute noch als unzureichend erforscht. Aktuelle Ergebnisse einer amerikanischen Studie liefern nun allerdings wichtige Hinweise, die die Funktionsweise der Milz ins Zentrum des Interesses rücken.
Fungiert die Milz als immunologischer Speicher?
Mediziner der University of Alabama in Birmingham stießen im Rahmen eines Forschungsprojektes auf unerwartete Erkenntnisse hinsichtlich des immunologischen Informationsspeicherortes: Während einer influenzabedingten Grippeinfektion wurden langlebige Gedächtnis-Killer-T-Zellen aus der Milz rekrutiert, die signifikante Informationen über das Virus abspeicherten. Diese Vorgehensweise ermöglichte dem Immunsystem, im Falle einer Reinfektion schneller und effektiver zu agieren.
Vorherrschende Annahmen widerlegt
Lange Zeit herrschte in medizinischen Kreisen die Annahme, dass die Rekrutierung von Killerzellen bei Influenza-Infektionen lediglich an einer anatomischen Stelle zu verorten sei: den Lymphknoten zwischen Wirbelsäule und Lunge. Die neu erzielten Resultate stellen dieses etablierte Paradigma, dem zufolge T-Zellen bei Atemwegsinfektionen ausschließlich aus den drainierenden Lymphknoten stammen, nun infrage. Aus den ermittelten Daten geht hervor, dass spezielle Killerzellen aus der Milz für das virale Immungedächtnis zuständig zu sein scheinen. Die gewonnene Quintessenz dieser Studie könnte unter anderem dazu beitragen effektivere Impfstoffe sowie ausgefeilte Therapiekonzepte bei respiratorischen Infektionen zu entwickeln. Erstaunlicherweise konnte bisher jedoch keine nennenswerte Verbindung zwischen Milz und den Lymphgefäßen in der Lunge ermittelt werden.
Zuverlässiger Immunschutz dank T-Zellen
Ein Expertenteam unter der Leitung von Professor Dr. André Ballesteros-Tato identifizierte die Milz als bislang unbekannten Ort für die Rekrutierung der sogenannten CD8+ T-Zellen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Killerzellen zeichnet sich diese Variante durch ihre ausgeprägte Langlebigkeit aus: Diese T-Gedächtniszellen sind dazu in der Lage, sich innerhalb kürzester Zeit gegen eine zukünftige Grippeinfektion zu mobilisieren. Aufgrund dessen sorgen sie für eine langanhaltende schützende Immunisierung.
Rekrutierungsvorgang näher ergründet
„Unsere Ergebnisse zeigen einen Transportweg für dendritische Zellen, der die Lunge mit dem Blutkreislauf verbindet“, erklärt der Studienleiter. Anhand eines umfangreichen Experiments an mit Influenza infizierten Mäusen gelang es den Forschern nachzuvollziehen, wie die Rekrutierung der Killerzellen aus der Milz genau abläuft. Zunächst spielen insbesondere die sogenannten dendritischen Zellen eine bedeutende Rolle: Sie sind Bestandteil des angeborenen Immunsystems und nehmen virale Antigene in der Lunge auf, sodass deren Ausbreitung eingeschränkt wird. Die antigenabsorbierenden Zellen geraten anschließend über den Lymphknoten in den Blutkreislauf und von dort aus in die Milz. „Der einzig mögliche Weg für wandernde dendritische Zellen, von den Lymphknoten im Mediastinum zur Milz zu gelangen, führt über den Ductus thoracicus, der die abfließende Lymphe zurück in den Blutkreislauf leitet“, erläutert Ballesteros-Tato. Dort wird das neu identifizierte Antigen den neutralen Killerzellen präsentiert, wodurch diese aktiviert werden.
Ursachen für Immunitätsmangel entdeckt
„Unsere Forschungsergebnisse identifizieren die Milz als primären Ort für das Rekrutieren von Vorläufern langlebiger Gedächtnis-T-Zellen“, konkludiert der Experte. Darüber hinaus tragen die erzielten Erkenntnisse dazu bei, den Mangel an langanhaltender Immunität näher zu ergründen. Ein unzureichender Immunschutz liegt beispielsweise dann vor, wenn der Weg der dendritischen Zellen zwischen Lunge und Milz unterbunden wird. Diese Blockierung könnte den Fachleuten zufolge dazu führen, dass die Aktivierung der T-Zellen in der Milz nicht stattfindet.
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