Neutrophile Granulozyten repräsentieren den größten Anteil der weißen Blutkörperchen. Obwohl diese Immunzellen in der Onkologie einen eher schlechten Ruf genießen, konnten Mediziner nun auch förderliche Eigenschaften der Leukozyten ergründen.
Zentraler Bestandteil des Immunsystems
Neutrophile Granulozyten befinden sich in erster Linie in der Blutbahn und stellen einen zentralen Bestandteil des angeborenen Immunsystems dar. Sobald Pathogene in den menschlichen Organismus eindringen, werden bestimmte Stoffe freigesetzt, welche die Neutrophilen anlocken. Diese treten in weiterer Folge vom Blutkreislauf ins Gewebe über. Dort nehmen sie schädliche Erreger in sich auf und eliminieren sie. Darüber hinaus regenerieren Neutrophile Granulozyten zerstörte Gewebezellen, wodurch die Heilung von Verletzungen vorangetrieben wird.
Indikator für zahlreiche Erkrankungen
Der Granulozyten-Wert wird meist dann gemessen, wenn eine Person Symptome einer Autoimmunerkrankung oder Infektion zeigt. Um den genauen Wert zu ermitteln, entnehmen Mediziner eine Blutprobe, welche im Anschluss im Labor analysiert wird. Besteht ein Granulozytenmangel, sprechen Mediziner von einer sogenannten Neutropenie. Diese ist in gewissen Fällen angeboren, wird oftmals jedoch auch durch Infektionen, Leukämie, Mangelernährung oder Autoimmunerkrankungen hervorgerufen. Die Einnahme bestimmter Medikamente wie Schmerzmittel oder Antibiotika kann die Anzahl an Neutrophilen ebenfalls verringern. Sind zu viele Neutrophile vorhanden, liegt eine sogenannte Neutrophilie vor. Neben Entzündungen kann dieser Überschuss auch durch seelische Belastungen, Vergiftungen, COPD oder Krebserkrankungen verursacht werden.
Kontraproduktiver Effekt bei Krebstherapie
Bisher waren neutrophile Granulozyten im Rahmen der Krebstherapie eher für ihre kontraproduktiven Eigenschaften bekannt. Sobald die Immunzellen bei Krebspatienten in Form sogenannter tumorassoziierter Neutrophile auftreten, kann dies beispielsweise bei Kopf-Hals-Krebs das Tumorwachstum begünstigen. Bislang war es Medizinern nicht möglich, die tumorfördernden Merkmale der Neutrophile einzuschränken.
Krebshemmende Eigenschaften erstmals belegt
Einem Forschungsteam des Universitätsklinikums Essen unter der Leitung von Dr. Jadwiga Jablonska gelang es nun jedoch, die krebshemmenden Eigenschaften dieser Immunzelle nachzuweisen. „Neutrophile Granulozyten sind in der Lage, Tumor-Antigene aufzunehmen, im frühen Krebsstadium in die Lymphknoten zu wandern und Abwehrzellen zu aktivieren“, erläutert Dr. Ekaterina Pylaeva, Erstautorin der Studie. „Bisher ging man davon aus, dass Neutrophile die Anti-Krebs-Immunantwort hemmen; jetzt wissen wir, dass sie auch stark stimulierend wirken können“, ergänzt die Studienleiterin Jablonska. Aufgrund dessen begünstigt die Akkumulation von Neutrophilen im Krebsfrühstadium eine optimistische Prognose für Patienten.
Ambivalente Wirksamkeit
In fortgeschrittenen Krebsstadien verkehrt sich der ursprünglich positive Effekt jedoch ins Gegenteil – dann verändern sich nämlich die Eigenschaften der Immunzelle, sodass die tumorfördernden Merkmale dominieren. Basierend auf diesen Erkenntnissen arbeiten Mediziner nun daran, diesen Mechanismus im Rahmen der Krebstherapie konkret zu adressieren, um die Überlebenschancen der Patienten zu erhöhen.
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