Nach einer überstandenen Infektion mit SARS-CoV-2 bleibt für eine gewisse Dauer eine Immunität gegenüber einer erneuten Infektion bestehen – darüber war sich die Wissenschaft bisher einig. Vergangene Ergebnisse deuteten dabei auf einen bestehenden Schutz für mindestens sechs Monate hin. Jedoch bringen neue Daten eines deutschen Forschungsteams nun noch bessere Nachrichten: Ein Großteil der Studienteilnehmer hatte sogar nach 10 Monaten noch einen aufrechten Immunschutz gegen Covid-19. Diese Entdeckung könnte nun auch Folgen für die Abstände der Auffrischungsimpfungen haben.
Dynamisches Duo
Die aktuelle Studie fokussierte sich vor allem darauf, wie lange Antikörper und das Glykoprotein Interferon-gamma (IFN-γ) nach einer Infektion vom Körper produziert werden. Die Forscher gehen weiters davon aus, dass der erworbene Immunschutz gegen Covid-19 aus dieser Kombination von Zellimmunität und Antikörpern besteht. Im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion oder einer Impfung entwickelt das Immunsystem dann spezifische anti-SARS-CoV-2 IgG Antikörper, um den Eindringling zu bekämpfen. Sogenannte T-Lymphozyten (T-Zellen) stellen in weiterer Folge IFN-γ her, welches als eines der wichtigsten Botenstoffe des Immunsystems gilt und zudem antivirale, sowie antitumorale Eigenschaften besitzt.
Dreiviertel aller Betroffenen besitzen längere Immunität
Die Lübecker Forschergruppe analysierte für den Nachweis das Blut von insgesamt 412 Infizierten, die eine überwiegend milde oder moderate Symptomatik bei Covid-19 erlebt hatten. Dazu wurde das Vorhandensein von Antikörpern und FN-γ-Botenstoffen in den Blutproben näher untersucht, um eine Aussage über die durchschnittliche Mindestdauer einer anhaltenden Immunität geben zu können. Dabei zeigte sich, dass 316 von 412 Personen (76,7 Prozent) nach 10 Monaten sowohl noch Antikörper (IgG) als auch IFN-γ-Botenstoffe im Blut aufwiesen. Sogar 300 Tage nach einer überstandenen Coronavirus-Infektion war bei etwa 50 Prozent der Teilnehmer die Immunabwehr gegen Covid-19 noch immer aktiv.
Studie wirft weitere Fragen auf
Interessanterweise zeigten sich bei einigen Teilnehmern jedoch entweder hohe Antikörperwerte in Kombination mit einem niedrigen IFN-γ-Spiegel oder umgekehrt. Für dieses Phänomen fanden die Forschenden aber keine Erklärung. Gesichert sei aber, dass „bei nahezu allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern nach durchgemachter Covid-Infektion eine ausreichende Immunreaktion stattgefunden hat“, fasst Studienautor Prof. Dr. Werner Solbach vom Zentrum für Infektions- und Entzündungsforschung an der Universität zu Lübeck die Ergebnisse zusammen. Die Immunität halte für mindestens zehn Monate nach einer Infektion an, was sich auch zukünftig auf die Abstände der Auffrischungsimpfungen auswirken könnte.
Neuer Ansatz bringt Aufschluss
„In unserer gemeinsamen Studie haben wir neben der etablierten Untersuchung auf Antikörper den Ansatz verfolgt, mit Hilfe der IFN-γ Messung eine Aussage zur so genannten zellulären Immunität, das heißt Abwehrlage auf Zellebene, treffen zu können“, betont Studienautor Dr. Alexander Mischnik, Leiter des Lübecker Gesundheitsamtes. Die vorliegenden Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass nur bei einer gemeinsamen Untersuchung von Antikörpern und Zellimmunität eine Aussage getroffen werden kann, wie lange ein Schutz nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung besteht.
Finale Veröffentlichung steht noch aus
Dennoch sind die neuen Erkenntnisse der Studie bislang nur im Rahmen einer Vorveröffentlichung präsentiert worden und deshalb mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Ein sogenanntes „Peer-Review“ von unabhängigen Wissenschaftlern, sowie eine Veröffentlichung in einem renommierten Fachjournal stehen noch aus. Bis also erste Auswirkungen auf die Abstände bei den Auffrischungsimpfungen spürbar werden, kann noch einige Zeit vergehen.
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