Die Depression ist eine Erkrankung, die Betroffenen das Leben deutlich erschwert – nicht zuletzt, da Behandlungen oft nicht anschlagen. Einen vielversprechenden neuen Ansatz fanden nun Forschende der Autonomen Universität Barcelona: Ein Wirkstoff aus dem Tetanus-Toxin soll die psychiatrische Erkrankung bekämpfen. Doch er soll sogar noch mehr können: Auch bei Parkinson und der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) könnte das Toxin helfen.
Viele Probleme mit Antidepressiva
Wenn Depressionen medikamentös behandelt werden, kommen oft sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zum Einsatz. Das sind Wirkstoffe, die den Abtransport des Hormons und Neurotransmitters Serotonin verhindern. Dadurch erhöht sich die Konzentration des Stoffes im Gehirn. Diese Medikamente müssen allerdings täglich eingenommen werden, haben oftmals Nebenwirkungen und können noch dazu abhängig machen. Die Suche nach Alternativen hält daher an.
Derivat des Tetanus-Toxins lindert Depression
Schon 2019 bemerkten Forschende des Howard University College of Medicine in Washington D.C., sowie der Universitat Autonoma de Barcelona (UAB), dass ein Derivat des Tetanus-Neurotoxins bei Ratten einen interessanten Effekt hatte. „Eine intramuskuläre Dosis von Hc-TeTx ließ die Depressionssymptome in weniger als 24 Stunden verschwinden, und die Wirkung hielt zwei Wochen an“, erklärt José Aguilera von der UAB. In einer kürzlich im Fachblatt „Molecules“ veröffentlichten Folgestudie untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang genauer. In Kooperation mit einem Forschungsteam der Benemerita Universidad Autonoma de Puebla (BUAP) in Mexiko zeigte die Gruppe um Aguilera, dass das Toxin-Derivat den Transport von Serotonin im zentralen Nervensystem hemmt. Hc-TeTx bindet dabei an Neurotrophin-Rezeptoren, Proteine, die das Überleben von Neuronen ermöglichen. Diese Ergebnisse sind nicht nur vielversprechend für die Therapie von Depressionen, sondern könnten auch bei der Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder ALS von Nutzen sein.
Ein Wirkstoff mit großen Vorzügen
Die Forschenden sehen in dem Derivat des Tetanus-Toxins großes Potential: Da lediglich eine zweiwöchentliche oder sogar monatliche Dosis gebraucht würde, könnte die Verabreichung durch medizinisches Personal geleitet werden. Außerdem handelt es sich bei Hc-TeTx um ein sogenanntes Rekombinat, seine Sicherheit ist also schon geprüft. Bei neurodegenerativen Erkrankungen könnte der Wirkstoff zudem zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Toxin-Derivat würde die Krankheit hemmen und gleichzeitig die oft damit einhergehenden Depressionen lindern. Kürzlich patentierten die Forschenden die therapeutische Nutzung von Hc-TeTx bei Depressionen, Parkinson und ALS. Aktuell suchen sie nach Investoren, um klinische Studien mit Menschen finanzieren zu können. „Dies ist ein wichtiger Fortschritt in der Wissenschaft, und umso mehr, wenn wir zusätzlich zu der hohen Inzidenz bei Depressionen und Verhaltensänderungen auch psychische Veränderungen als Folge von COVID-19 und der negativen Umgebung von Stress, Selbstisolation oder Angst sehen“, resümiert Aguilera.
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