Mutationen in unserem Erbgut können zu vielseitigen Problemen führen. Sie entwickeln sich entweder noch vor der Geburt im Embryo oder entstehen im Laufe unseres Lebens – die letztere Art von Mutation stand im Fokus einer neuen Untersuchung aus Washington. Mithilfe von Gewebsproben gelang den Forschern erstmals die Erstellung eines umfassenden Mutations-Atlas. Er soll Einblick in den Alterungsprozess und die Entstehung von diversen Krankheiten liefern. Zukünftig lassen sich dadurch neue Behandlungsmöglichkeiten schaffen – und Mutationen vielleicht sogar rückgängig machen.
Mutationen: Welche Rolle spielen sie im Körper?
Unser Erbgut besteht hauptsächlich aus DNA – sie ist bei allen Menschen etwas unterschiedlich und kommt in jeder unserer Zellen vor. Teilen sich Zellen, muss auch die DNA kopiert werden. Obwohl dieser Prozess unter strenger Kontrolle vieler regulatorischer Proteine steht, passieren manchmal Fehler. Um diese auszugleichen, kommen körpereigene Reparaturmechanismen zum Einsatz. Sind diese aber nicht in der Lage den Schaden zu korrigieren, wird die veränderte DNA fortan an die Tochterzellen weitergegeben. Man spricht dann von Mutationen – sie gelten als Hauptursache für altersbedingte Krankheiten oder die Entstehung von Krebs. Noch lange bevor dieser tatsächlich auftritt, können jedoch zugrundeliegende Gen-Variationen in DNA-Analysen nachgewiesen werden. Abgesehen von Tumor-Erkrankungen ist aber noch unklar, inwieweit andere Krankheiten auf postzygotische Mutationen – Abweichungen, die nach der Geburt entstehen – zurückzuführen sind.
Vermehrt Abweichungen in Leber und Haut
Dem Forscherteam gelang mit dieser Studie die Erstellung der im Moment umfassendsten Kartierung von DNA-Mutationen. Für diesen Erfolg analysierten sie Gewebeproben von 948 Menschen, welche ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft gespendet hatten. Die Proben wurden in 54 Gewebe- und Zelltypen unterteilt und danach katalogisiert, zu welchem Zeitpunkt welche Mutationen auftraten.
Aus den Ergebnissen geht hervor, dass sich die meisten genetischen Variationen im Bereich der Speiseröhre und Leber befanden. Laut den Wissenschaftlern sind das jene Organe, die am engsten mit der Umwelt in Berührung stehen. Daher sind sie auch am häufigsten von äußeren Einflüssen betroffen, die zu Mutationen des Erbguts führen. Auch in Hautzellen fanden die Forscher viele DNA-Variationen. Diese sind bedingt durch die UV-Strahlung und andere Einflüsse von außen, denen unsere Haut täglich ausgesetzt ist. Überrascht hat die Wissenschaftler allerdings, dass Männer weniger oft von den Mutationen betroffen waren als Frauen.
Im Gehirn hingegen finden sich die wenigsten Veränderungen der DNA – Zellen im Gehirn teilen sich jedoch nur selten. Zusätzlich bietet die Blut-Hirn-Schranke Schutz vor ungesunden Umwelteinflüssen.
Darum verändert sich die DNA
Zu welchem Zeitpunkt im Leben die Mutationen genau auftreten, war ebenfalls Teil der Untersuchung. Die meisten Veränderungen sammeln sich mit zunehmendem Alter an, teils ausgelöst durch Einflüsse von außen, teils durch Fehler bei der Kopie des Genmaterials. Faktoren wie Alter, Geschlecht und Gewebetyp erklären fast die Hälfte der identifizierten Mutationen. Auch die Abstammung kann einen Grund für bestimmte genetische Abweichungen liefern: Europäische Amerikaner weisen mehr sonnenbedingte Mutationen in der Haut auf als afrikanische oder asiatische Amerikaner.
Abgesehen von den postzygotischen Mutationen, die nur in einzelnen Gewebstypen vorzufinden sind, identifizierten die Forscher auch Veränderungen, die gleichzeitig in mehreren Gewebsarten präsent sind. Vermutlich handelt es sich dabei um Variationen, die entstehen, noch bevor sich der Embryo im Mutterleib vollständig ausdifferenziert hat.
Mutationen sollen rückgängig gemacht werden können
Krankheiten früher zu erkennen und zu heilen ist eines der Ziele dieser Forschung. Doch um dieses Anliegen zu verwirklichen, bedarf es noch viel Zeit und Ressourcen. Damit durch Mutationen bedingte Erkrankungen wirklich geheilt werden können, müssen neue Methoden entwickelt werden. Diese sollen sicherstellen, dass die individuelle Auswirkung der genetischen Abweichungen interpretiert werden kann. In Zukunft wird ein besseres Verständnis der Mutationen neue Behandlungsmöglichkeiten erlauben. Einer der Forschenden spricht sogar davon, Mutationen, die durch Umwelteinflüsse ausgelöst wurden, nachzuweisen und danach gezielt zu behandeln – die DNA soll dann in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetztwerden.
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