Laut Schätzungen gab es bis Ende März 2021 rund 128 Millionen registrierte Infektionen mit SARS-CoV-2. Etwa drei Millionen Todesfälle sind bisher durch COVID-19 zu beklagen. Immer noch sind viele Fragen über das Virus nicht vollständig geklärt. Ein japanisches Forschungsteam konnte nun herausfinden, warum das Coronavirus so erfolgreich bei der Übertragung ist. Der Erfolgt liegt demnach in den dreieckigen Spike-Proteinen.
Von Cholesterin zu Corona
Die spezielle Form der Spike-Proteine, mit denen sich das Virus an Zellen festhält, verschafft dem Coronavirus einen entscheidenden Vorteil, so das Forscherteam. Das Team um Dr. Vikash Chaurasia und Prof. Eliot Fried untersuchte bisweilen die Struktur von Cholesterinmolekülen. Mit Beginn der Pandemie – und um einen Beitrag zur Bekämpfung des Coronavirus zu leisten – setzten die Forschenden die gleichen Analysemethoden nun ein, um mehr Informationen über SARS-CoV-2 zu erhalten. Denn die von ihnen entwickelten Methoden eignen sich auch zur Analyse von Viren. Dabei untersuchten sie, wie sich die Form des Spike-Proteins auf den Erfolg bei der Übertragung auswirkt.
Tatsächliches Aussehen des Virus entschlüsselt
„Wenn man sich ein einzelnes Coronavirus vorstellt, denkt man gewöhnlich an eine Kugel mit vielen Spitzen oder kleineren Kugeln, die über ihre Oberfläche verteilt sind“, erklärt Chaurasia. Auf Basis dieser Annahmen wurde das Virus ursprünglich modelliert. Auf den meisten Abbildungen wurde es in weiterer Folge auch so dargestellt. Dabei handle es sich aber nur um eine grobe Skizze des tatsächlichen Aussehens. Im Laufe des letzten Jahres kamen dann weitere Erkenntnisse hinzu, wie SARS-CoV-2 tatsächlich aussieht. Die Spike-Proteine, die als Spitzen oder Zacken dargestellt werden, seien in Wirklichkeit wie Kugeln, die in eine dreieckige Form zusammengepresst sind. Diese Form hat große Einwirkungen darauf, wie sich das Virus bewegt. Dr. Chaurasia veranschaulicht dies anhand eines Beispiels: „Stellen Sie sich einen Ball vor, der sich durch den Raum bewegt.“ Dieser rotiert aber während seiner Laufbahn um sich selbst, es kommt zu einer sogenannten Rotationsdiffusion.
Rotation hilft beim Anheften
„Ein Partikel von SARS-CoV-2 bewegt sich auf ähnliche Weise wie dieser Ball, obwohl er in einer Flüssigkeit schwebt“, ergänzen die Forschenden. Die Rotation des Partikels um die eigene Achse beeinflusse dabei, wie gut sich dieses an Objekten ausrichten und anheften kann. Mit Objekten seien in dem Fall Gewebe oder Zellen einer Person gemeint. Diese Fähigkeit beeinflusst weiters, wie schnell sich das Virus von Mensch zu Mensch ausbreiten kann. Dabei muss die Rotationsdiffusion eine gewisse Stärke beibehalten, da der Partikel sonst bei einer zu hohen Geschwindigkeit einfach von Objekten abprallen würde. Eine geringere Rotationsdiffusion hingegen erhöht etwa die Chance, dass das Festhalten schlussendlich gelingt.
Dreieckige Spike-Form reduziert Rotation
Die Forschenden kamen zu dem Ergebnis, dass die dreieckige Form der Spikes das Rotationsdiffusionsvermögen des Virus um 39 Prozent senkt, wodurch dieses sich effektiver an Zellen festhalten kann. Zudem haben die Spikes eine unterschiedliche Ladung, wodurch eine optimale geometrische Verteilung auf der Virusoberfläche erzielt werden kann. Die Forschenden weisen aber auch darauf hin, dass noch mehr unbekannte Faktoren zu einer höheren Effektivität beitragen könnten. „Wir wissen, dass es komplizierter ist als das“, gesteht auch Chaurasia sich ein. Beispielsweise wäre auch möglich, dass sich die Spikes um sich selbst drehen oder der Viruskörper an sich sogar keine Kugel ist. „Wir planen also, in diesem Bereich mehr zu forschen“ fasst Chaurasia zusammen.
100 Jahre altes Problem hat noch immer Relevanz
Ein weiterer interessanter Aspekt des Forschungsprojekts war die Verbindung zu einer Frage, die der Physiker J. J. Thomson vor mehr als einem Jahrhundert stellte. Er untersuchte, wie eine bestimmte Anzahl von Ladungen auf einer Kugel verteilt werden. „Ich finde es faszinierend, dass ein Problem, das vor mehr als 100 Jahren betrachtet wurde, eine solche Relevanz für unsere heutige Situation hat“, meint dazu Prof. Eliot Fried. Völlig unerwartet sei es für die Forschungsgruppe gewesen, dass die 100 Jahre alte Grundlagenforschung auf das Modell zutraf.
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