Jede zweite Person erkrankt im Laufe ihres Lebens an Krebs. Fast jeder hat Angehörige, die mit der Erkrankung kämpfen oder daran verstorben sind. Ein Mittel gegen die weit verbreitete Krankheit zu finden, ist daher eines der meistverfolgten Forschungsziele weltweit. Am University of Montreal Hospital Research Centre (CRCHUM) in Kanada schaffte ein Forschungsteam bei der Suche nach einer Krebs-Impfung nun einen Durchbruch: Die Forschenden entwickelten einen Wirkstoff aus Peptiden und Viren, der Mäuse erfolgreich vor Krebs schützte. Die Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich im Fachmagazin „Nature Communications„.
Viren, die Krebszellen infizieren
Der Ansatz der Krebs-Impfung sind sogenannte onkolytische Viren. Dabei handelt es sich um Erreger, die, wenn sie in den Organismus gelangen, Krebszellen infizieren und abtöten. Diese Entdeckung ist aber nicht neu: Bereits im 19. Jahrhundert stellten Mediziner fest, dass bei einigen Patienten die Tumore schrumpften, wenn sie sich mit bestimmten Viruserkrankungen infizierten. Seitdem wurde in diversen Studien die Wirkung der onkolytischen Viren nachgewiesen. Aus diesen Erregern entwickelte die kanadische Forschungsgruppe um Professorin Marie-Claude Bourgeois-Daigneault einen Impfstoff, der Mäuse gegen Krebs immun machte.
Individuelle Anpassung dank Peptiden
„Damit ein Impfstoff eine Immunantwort auslöst, muss er Elemente enthalten, die die Zellen des Immunsystems – die berühmten weißen Blutkörperchen – stimulieren“, erklärt die Leiterin des Forschungsteams. „Diese Elemente, Adjuvantien genannt, sind Bestandteile aller Impfstoffe. Sie ermöglichen es dem menschlichen Körper, eine potenzielle Gefahr wahrzunehmen und die Bedrohung einzudämmen, indem er seine Armee von Immunzellen losschickt.“ Damit sich diese Immunantwort gegen den Krebs richtet, verwenden die kanadischen Forschenden onkolytische Viren. Allerdings müssen die Impfstoffe, um effektiv zu wirken, individuell an den jeweiligen Patienten angepasst werden. Dafür nutzt das Forschungsteam synthetische Peptide, die den Mutationen der Krebszellen ähneln und so die Immunantwort anregen.
Doppelangriff auf den Krebs
Die Stärke des Ansatzes der Kanadier liegt darin, dass die onkolytischen Viren allein bereits dazu in der Lage wären, den Krebs zu zerstören. „So können wir den Krebs an zwei Fronten angreifen: ihn direkt mit dem Virus abtöten und eine Immunreaktion hervorrufen, nicht nur durch das Virus, sondern auch durch den Impfstoff“, erläutert Bourgeois-Daigneault. Darin sieht die Forscherin auch die Überlegenheit gegenüber Ansätzen, die keine onkolytischen Viren als Adjuvantien verwenden. An Mäusen konnte das Forschungsteam bereits die Wirksamkeit des Wirkstoffes nachweisen.
Genmanipulation nicht nötig
Ein Impfstoff, der ebenfalls onkolytische Viren verwendet, befindet sich in den USA und Kanada bereits in der Erprobung. Jedoch ist dieser nicht personalisiert. Stattdessen kommt bei diesem Wirkstoff Genmanipulation zum Einsatz. „Das ist ganz anders als unser Ansatz. Wir können alle Krebsarten ohne genetische Veränderung ins Visier nehmen“, erklärt Bourgeois-Daigneault. „Es ist ein bisschen so, als würde man Lego zusammenbauen – es geht darum, synthetische Peptide, die dem Krebs ähneln, mit dem gewählten Virus zu mischen. Das wird in der klinischen Praxis viel einfacher zu implementieren sein.“
Nur noch ein Schritt zum Praxiseinsatz
Bis die Krebs-Impfung in der Praxis aufgenommen wird, muss allerdings noch eine wichtige Hürde genommen werden: „Die größte Herausforderung besteht darin, die Mutationen zu identifizieren, gegen die wir impfen wollen. Denn ein Krebs ist einzigartig in seinen Dutzenden oder Hunderten von Mutationen, aber nur einige von ihnen werden, wenn sie einmal ins Visier genommen werden, einen therapeutischen Effekt haben und uns erlauben, ihn zu eliminieren“, so die Leiterin des Forschungsteams. Diese Mutationen zu finden, ist der eine Schritt der noch optimiert werden muss. Doch daran arbeiten bereits viele Forschungsgruppen, beruhigt die Immuntherapie-Forscherin Bourgeois-Daigneault.
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