Rund 1,2 Millionen Menschen sind in Deutschland von Morbus Alzheimer betroffen. Eine Heilung für die neurodegenerative Krankheit gibt es bisher keine. Aber eine neue Forschungsstudie gibt Hoffnung für die Verwendung eines Medikaments zur Krebsbehandlung auch bei Alzheimer-Patienten. Die Phase-2-Studie mit dem Krebsmedikament Nilotinib berichtet Positives über dessen Einsatz bei der Demenzkrankheit. Die Ergebnisse erschienen u.a. in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Nilotinib bekämpft neurogenerative Ablagerungen
Nilotinib hemmt bestimmte Enzyme, die für den Stoffwechsel von Krebszellen wichtig sind. Das Medikament wird daher bereits bei der Behandlung von chronisch myeloischer Leukämie (CML) eingesetzt.
Der Wirkstoff blockiert auch jene Rezeptoren, die bei Alzheimer-Patienten für die Produktion von neurotoxischen Proteinen verantwortlich sind. Diese fehlerhaften Proteine (Beta-Amyloid, Tau-Protein) lagern sich im Hirn in Form von Plaques oder als faserartige Fibrillen ab und führen dort zur Zerstörung von Synapsen und Nervenzellen.
Im Alzheimer-Tiermodell konnte Nilotinib die Ablagerungen reduzieren und deren Abbau fördern. Nun wurden in einer klinischen Phase-2-Studie die Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz, ihre biochemische Verarbeitung im Körper sowie die Wirkung auf verschiedene Biomarker von Alzheimer untersucht.
Positive Ergebnisse bei Proteinwerten und Hippocampus
37 Patienten (davon 27 Frauen) zwischen 50 und 85 Jahren mit leicht bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz nahmen an der Studie teil. In zwei randomisierten Gruppen erhielten sie entweder über 26 Wochen einmal täglich oral 150 mg Nilotinib, dann weitere 26 Wochen 300 mg – oder ein Placebo.
Bilder des PET-Hirnscans zeigten: Die Amyloid-Plaques im Frontallappen der Nilotinib-Gruppe waren deutlich zurückgegangen. Die Konzentration von spezifischen Alzheimer-Proteinen in der Liquorflüssigkeit sank signifikant, auch die Menge des Tau-Proteins ging nach sechs bzw. zwölf Monaten zurück. Weiters war der Volumenverlust des Hippocampus, eine für das Gedächtnis wichtige Hirnregion, nach zwölf Monaten im Vergleich um 27 Prozent geringer ausgeprägt.
Klinische objektivierte Tests (MMST, ADAS-Cog) zur Messung von kognitiven Fähigkeiten wie Orientierung, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Rechenfähigkeit und Sprache zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen der Nilotinib- und der Placebogruppe. Allerdings tendierte die Nilotinib-Gruppe zu besseren Werten.
Das Medikament wurde gut vertragen
Die Verträglichkeit des Medikaments war durchgehend gut. Bei der höheren Dosis gab es mehr Nebenwirkungen (insbesondere Stimmungsschwankungen) als bei 150 mg. Schwere unerwünschte Ereignisse traten in der Nilotinib-Gruppe keine auf, während in der Placebogruppe bei drei Erkrankten insgesamt fünf Ereignisse auftraten (Rhabdomyolyse, Bronchitis, Hypotonie, Schwindelattacke). Nilotinib wird in der Onkologie mit verlängerter QT-Zeit in Verbindung gebracht, was zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Diesbezüglich zeigte die Studie jedoch keine schweren kardialen Nebenwirkungen.
Studie gibt Hoffnung auf zukünftigen Einsatz
Es handelt sich um eine relativ kleine Studie, die zunächst vor allem Sicherheit, Verträglichkeit und die Effekte auf Alzheimer-Biomarker untersucht hat. „Die Studie hatte zu wenig Patienten und war gar nicht dazu konzipiert, um eine Verlaufsbeurteilung der Demenz zu ermöglichen“, so Prof. Dr. Richard Dodel, Geriater und Neurologe an der Universität Duisburg-Essen. Dennoch hofft der Mediziner, dass sich der positive Trend hinsichtlich der kognitiven Tests künftig in großen klinischen Studien bestätigen lasse. Nach den negativen Ausgängen von vielen zunächst hoffnungsvollen Therapieansätzen sei diese Studie auf jeden Fall ein positives Signal für die Alzheimer-Forschung.
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