Mittlerweile wird es immer schwieriger neue Medikamente zu entwickeln. Es gibt jedoch eine vielversprechende Quelle für Arzneimittel, die es noch gilt auszuschöpfen: Insekten. Speziell bei Marienkäfern handelt es sich dabei offenbar um eine Apotheke auf sechs Beinen.
Besondere Substanzen aus Insekten
Ein neuer Zweig der Pharmaforschung beschäftigt sich aktuell mit Insekten als potenzieller Lieferant bisher unentdeckter Wirkstoffe. Laut Kwang-Zin Lee vom Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie (IME) in Gießen sind Substanzen aus Insekten im Vergleich zu Pflanzenextrakten vollkommen andersartig aufgebaut. Auf diese Weise öffnen sie die Türen für innovative pharmakologische Ansätze.
Der Asiatische Harlekin-Marienkäfer
Speziell der Asiatische Harlekin-Marienkäfer fasziniert Lee, denn er stellt mehr als fünfzig unterschiedliche antimikrobielle Peptide her – ein Rekord unter den Insekten. Dadurch wird auch das potenzielle Wirkspektrum der Stoffe vergrößert. So bietet der Asiatische Harlekin-Marienkäfer beispielsweise Verbindungen, die Tuberkulose-Bakterien bekämpfen und andere, die Plasmodien abtöten. Letztere können Malaria verursachen.
Ins Rampenlicht hat es der besondere Käfer geschafft, da er anderen Insekten gern mal den Garaus macht. Schon seit Jahrzehnten stürzt er sich in Gewächshäusern und Gärten erfolgreich auf Blattläuse und tötet davon jeden Tag Hunderte. Viele Gärtner wussten diese Eigenschaft lange zu schätzen, doch der niedliche Marienkäfer mit den schwarzen Punkten hat es über die Gärten hinaus geschafft. Mittlerweile ist er deshalb leider zu einer internationalen Gefahr für den bekannten Siebenpunkt-Marienkäfer geworden.
Der Marienkäfer-Masterplan
Die Dominanz des Asiatischen Harlekin-Marienkäfers lässt sich auf die Abwehrstoffe zurückführen, die er aussendet. Insbesondere einen davon haben die Gießener Forscher in größerer Konzentration in den Körperflüssigkeiten des Marienkäfers entdeckt. Der Stoff wurde von ihnen Harmonin genannt, was auf die lateinische Bezeichnung des Käfers, „Harmonia axyridis“, zurückgeht. Die Menge an Harmonin in den Körpersäften ist Lee zufolge sogar größer als die menschliche Blutzuckerkonzentration. Der Wissenschaftler ist positiv gestimmt, wenn es um ein neues Medikament gegen Malaria geht, denn Harmonin wirkt gegen alle Formen von Plasmodium. Dies ist ein enormer Fortschritt, da der Großteil der bisherigen Malariamedikamente nur gegen bestimmte Stadien der Parasiten eine Wirkung zeigt.
Anti-Malaria-Wirkstoff im Praxistest
Aktuell gilt es zu klären, ob die Substanz Betroffene tatsächlich heilen kann. Die Wissenschaftler bleiben noch skeptisch, denn bereits Ende der 90er Jahre zeigten Forscher und Pharmakonzerne reges Interesse an Insekten-Medikamenten. Die Unternehmen BASF, Bayer, Pfizer und Schering investierten in die entsprechende Forschung, und diverse Biotech-Firmen analysierten und patentierten eine Vielzahl an Wirkstoffen. Bis Mitte der 2000er Jahre verflog die Euphorie allerdings wieder. Für die damaligen Forschungsmethoden waren die Substanzen noch zu komplex und die Produktion mit zu viel Aufwand verbunden. Aus diesen Gründen wandte sich die Industrie lieber wieder künstlichen Molekülen zu.
Geheimnisvolle Welt der Insekten
Bis 2020 gab es enorme Fortschritte bezüglich der genetischen und analytischen Möglichkeiten. Innovative Methoden machen es einfacher die Rätsel der Insektenwelt zu untersuchen und ihre Wirkstoffe von anderen, industrietauglichen Organismen produzieren zu lassen. Dazu gehören beispielsweise Bakterien oder Zellkulturen. Eine ansehnliche Auswahl an Arzneimitteln auf Insekten-Basis in den Apotheken wird es Lee zufolge jedoch frühestens in fünf bis zehn Jahren geben.
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