Selbst nach überwundener Corona-Infektion leiden zahlreiche Personen an den Langzeitfolgen der Erkrankung – dieses Phänomen wurde als Long COVID bekannt. Trotz intensiver Forschung ist es bislang nicht möglich, alle langanhaltenden Beschwerden effektiv zu behandeln. Mediziner stießen nun allerdings auf molekulare Hinweise für unterschiedliche Subgruppen von Long COVID, die innovative Therapiekonzepte ermöglichen könnten.
Long COVID – wenn Symptome fortbestehen
Unter Long COVID werden Beschwerden verstanden, die mehr als vier Wochen nach der Infektion mit dem Coronavirus andauern, sich verschlimmern oder neu auftreten. In vielen Fällen beeinträchtigen die Symptome sowohl das körperliche als auch das mentale Wohlbefinden und gehen somit mit einer eingeschränkten Lebensqualität der Betroffenen einher. Die Form der Langzeitfolgen variiert zumeist von Person zu Person, sodass es bislang kein einheitliches Krankheitsbild gibt. Zu den häufigsten Beschwerden zählen jedoch Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen, Erschöpfung, Schlafstörungen sowie Gedächtnisprobleme. Auch Störungen des Geruch- oder Geschmackssinnes werden oftmals berichtet.
Immunfaktoren im Fokus
Forscher der Universitätsmedizin Halle gingen nun dem Zusammenhang zwischen Long COVID und speziellen Immunfaktoren auf den Grund. Hierbei legten die Experten das Augenmerk vor allem auf die Abwehrzellen Makrophagen und Monozyten. Diese gelten als zentrale Bestandteile des angeborenen Immunsystems. Durch die Produktion bestimmter Botenstoffe aktivieren die Zellen das Abwehrsystem und regulieren anschließend die Immunreaktion. Die Fachleute stellten jedoch fest, dass dieser Prozess bei Long COVID stark beeinträchtigt ist.
Beeinträchtigtes Abwehrsystem
„In der aktuellen Studie haben wir den Fokus auf weitere entzündungs- sowie fibrosefördernde Immunfaktoren gelegt, die durch Monozyten und Makrophagen ausgeschüttet werden können“, schildert Studienerstautor Dr. Christoph Schultheiß. Dabei stellte sich heraus, dass die Ausschüttung und Regulation dieser Immunfaktoren bei Long COVID erheblich gestört ist. Insbesondere drei Botenstoffe, welche von Makrophagen und Monozyten erzeugt werden, sind bei Long-COVID-Betroffenen überproportional vorhanden. Durch die erhöhte Konzentration dieser Immunfaktoren werden langanhaltende Entzündungen und weitere Beschwerden begünstigt.
Da diese Störung in diversen Formen und Ausprägungen auftritt, vermuten die Experten, dass unterschiedliche Subgruppen von Long COVID existieren, die spezieller Therapieformen bedürfen. Laut den Forschern würde es zumindest für einige dieser Faktoren bereits geeignete Behandlungskonzepte geben, welche die Immunreaktionen normalisieren.
Vorherrschende Annahme widerlegt
Bislang gingen Mediziner davon aus, dass die coronabedingten Langzeitfolgen durch Virusreste wie dem sogenannten S1 Spike-Protein hervorgerufen werden. Diese Annahme wurde jedoch durch die aktuellen Studienergebnisse widerlegt: Obwohl die Forscher Rückstände dieses Proteins im Blut Long-COVID-Betroffener nachwiesen, konnte kein Zusammenhang zwischen den anormalen Immunreaktionen und den Überresten des Spike-Proteins festgestellt werden. „Wir gehen deshalb derzeit von verschiedenen molekularen Subgruppen bei Long COVID aus, die auf unterschiedliche zugrundeliegende Mechanismen in der Entstehung der Erkrankung zurückzuführen sind“, erklärt Dr. Schultheiß.
Obwohl Long COVID klinisch mittlerweile gut erforscht sei, bestehe bei den Entstehungsmechanismen der Erkrankung noch intensiver Forschungsbedarf. Außerdem sei es essenziell, diese Faktoren mit dem klinischen Krankheitsbild zu verknüpfen, um eine Grundlage für effektive Therapiekonzepte zu schaffen.
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