Diabetes gehört zu den häufigsten Zivilisationskrankheiten auf der ganzen Welt – dennoch sind die genauen Hintergründe der Erkrankung immer noch nicht geklärt. Einem Team internationaler Wissenschaftler ist nun jedoch ein bedeutsamer Schritt in Richtung Aufklärung des Rätsels rund um Diabetes gelungen: Sie entdeckten, dass die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse, welche für die Insulinproduktion verantwortlich sind, in organisierten Gruppen zusammenarbeiten. Diese werden von einer Art Anführer-Zelle kontrolliert – ohne die die Kooperation nicht mehr funktioniert und die Zuckerverarbeitung stark gestört wird.
Neues Wissen zur Entstehung von Diabetes
Die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse arbeiten in streng hierarchisch aufgebauten Gruppen miteinander, welche alle untereinander verknüpft sind. Diese „Teams“ werden von sogenannten Leader-Zellen“ gesteuert. Sind diese besonderen Chefs jedoch aus irgendeinem Grund nicht einsatzfähig, kann Zucker nicht mehr korrekt verstoffwechselt werden. Zu diesem Schluss kamen nun internationale Wissenschaftler in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden. Die Untersuchungsergebnisse sind im renommierten Fachblatt „Nature Metabolism“ erschienen.
Ursachen sind unzureichend erforscht
Heutzutage ist fast jeder elfte Erwachsene weltweit von Diabetes betroffen. Die meisten davon leiden unter Typ 2. Bei Diabetes reagieren die Körperzellen immer unempfindlicher auf das Hormon Insulin, welches für die Integration von Zucker aus dem Blut in die Zellen zuständig ist. Diabetiker weisen auf Grund der zunehmenden Insulinresistenz der Zellen einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel auf – mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Wie genau diese Störung der Zuckerverarbeitung vonstattengeht, ist nach wie vor unklar. Die Forscher der TU Dresden deckten nun kürzlich auf, wieso die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse womöglich die Insulinausschüttung verweigern. Aus der neuen Erkenntnis ergibt sich gleichzeitig auch ein neuer Therapieansatz für Diabetes-Patienten.
Die Zellen-Hierarchie
Wissenschaftler aus Großbritannien, Kanada, Deutschland und Italien stießen vor Kurzem auf eine bisher unbekannte hierarchische Ordnung der Zellen der Bauchspeicheldrüse. Die Insulin-produzierenden Beta-Zellen bilden Gruppen, sogenannte Inselzellen, die wiederum eine effektive Einheit für den Zuckerstoffwechsel darstellen. Gesteuert werden die Inselgruppen von bestimmten Leader-Zellen. Auf diese Weise befindet sich in jedem gesunden Körper ein System, das den Zucker aus dem Blut erfolgreich in die Zellen befördert.
Professor Guy Rutter vom Imperial College London und Professor David Hodson von der Birmingham University registrierten diesen bedeutenden Arbeitsverbund der Zellen zuerst im Labor. Anhand der Modellorganismen konnten sie feststellen, dass bei einem Anstieg des Blutzuckerspiegels die Antwort der Beta-Zellen von zeitlich beschränkt existierenden Chef-Zellen kontrolliert wurde. Somit waren die Forscher mithilfe von innovativer Bildgebungstechnik dazu in der Lage, dieses System auch bei lebenden Tieren nachzuweisen. Im Rahmen verschiedener Experimente bewies das Forschungsteam, was geschieht, wenn die aufgefundenen Chef-Zellen ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Waren die Leader-Zellen ausgeschaltet, so waren die Reaktionen auf Zucker plötzlich beeinträchtigt.
Leader-Zellen sind potenzieller Schlüssel in der Diabetes-Forschung
Daneben fanden die Wissenschaftler heraus, dass nicht alle Zellen in den Insel-Zusammenschlüssen dieselbe Rolle übernehmen. Den Tests zufolge verfügen manche Beta-Zellen über eine einzigartige molekulare Signatur, die es ihnen möglich macht, eine aktive Funktion im Stoffwechsel zu übernehmen. Entsprechende Zellen sind darüber hinaus den Beobachtungen der Forscher zufolge auch mit einer größeren Sensibilität gegenüber Zucker ausstaffiert.
Besonders wichtig ist es nun herauszufinden, ob Leader-Zellen empfänglicher für Schäden sind, wenn Diabetes entsteht, sowie ob sie systematisch dafür eingesetzt werden können, um normale Insulinreaktionen aufrechtzuerhalten und so die Erkrankung zu kurieren. Anhand von zukünftigen Experimenten an Zebrafischen planen die Wissenschaftler nun die Bedeutung der Leader-Zellen detaillierter zu erforschen. Es sollen Beta-Zellen an- und ausgeschaltet werden. Dies soll mit einem extra entwickelten Gerät beobachtet werden, mit dem sich erkennen lässt, welche Menge Zellen von einer Chef-Zelle geleitet wird und welche Gene die Identität einer Chef-Zelle überhaupt festlegen. Das Forschungsteam hofft darauf so in naher Zukunft die genauen Hintergründe der Entstehung von Diabetes zu ergründen und eventuell auf eine Heilmethode zu stoßen.
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