Die Vorstellung, dass sich im eigenen Körper parasitäre Würmer einnisten, ist wohl für die meisten Menschen extrem ekelerregend. Eine Studie aus Australien hat nun jedoch gezeigt: Eine Infektion mit sogenannten Hakenwürmern könnte die Entstehung von Typ-2-Diabetes verhindern.
Diabetes: Wenn dem Körper das Insulin ausgeht
Bei Typ-2-Diabetes reagieren die Körperzellen nicht mehr ausreichend auf Insulin. Dieses Hormon sorgt normalerweise dafür, dass Traubenzucker (Glukose) vom Blut in die Zellen gelangt, wo er für die Energiegewinnung verwendet wird. Aufgrund der Insulinresistenz bei Diabetes bleibt jedoch zu viel Glukose im Blut und der Blutzuckerspiegel steigt. Bei weiterem Fortschreiten der Krankheit kann die Bauchspeicheldrüse irgendwann nicht mehr ausreichend Insulin produzieren – daher müssen sich die Betroffenen das Hormon als Spritze verabreichen.
Typ-2-Diabetes ist auch unter dem Namen „Alterszucker“ bekannt, jedoch sind mittlerweile zunehmend auch junge Menschen davon betroffen. Risikofaktoren für die Krankheit sind Fettleibigkeit, eine ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung und Tabakkonsum. 7,2 Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden an einer Form von Diabetes, die meisten am Typ 2.
Wurmlarven als Heilmittel?
Im Rahmen der Studie von Forschern der James Cook University in Australien wurden erstmals Menschen mit Hakenwürmern geimpft, um metabolische Störungen zu behandeln. Insgesamt nahmen 40 Personen im Alter zwischen 27 und 50 Jahren teil. Alle von ihnen litten an einer erhöhten Insulinresistenz – welche einem Typ-2-Diabetes vorausgeht – oder an anderen Gesundheitsproblemen, die die Wahrscheinlichkeit für Diabetes erhöhen. Zu letzterem zählen etwa Bluthochdruck oder abnormale Blutfettwerte. Den Probanden wurden 20 bzw. 40 Larven des Hakenwurms „Necator Americanus“ verabreicht oder sie erhielten ein Placebo – was genau in der Impfung steckte, wussten die Patienten dabei nicht. Über insgesamt drei Jahre hinweg wurden die Studienteilnehmer begleitet.
Parasiten können nützlich sein
Doch wie kommt man überhaupt auf die Idee, kranke Menschen mit Würmern zu infizieren? „Metabolische Krankheiten sind gekennzeichnet durch inflammatorische Immunreaktionen und ein verändertes Darmmikrobiom. Vorherige Studien mit Tiermodellen haben darauf hingewiesen, dass Hakenwürmer eine anti-inflammatorische Antwort in ihrem Wirt bewirken, um ihr eigenes Überleben zu sichern“, erklärt Dr. Pierce, eine der Studienautorinnen, in einer Pressemitteilung der James Cook University.
Würmer lindern Diabetes-Vorboten
Den Studienteilnehmern wurden regelmäßig Stuhl- und Blutproben entnommen, um zu untersuchen, wie sich die Immunreaktionen und das Darmmikrobiom durch die Würmer verändern. Auch das psychische Wohlbefinden wurde erfasst. Im Laufe der Zeit brachen einige Probanden die Studie aus Gründen ab, die nichts mit Nebenwirkungen zu tun hatten. Drei der Teilnehmer klagten jedoch über Verdauungsprobleme aufgrund ihrer Parasiten, sodass auch sie aus der Studie schieden – nach der Entwurmung legten sich die Beschwerden wieder.
Die restlichen Probanden durchliefen die Studie bis zum Schluss ohne schwerwiegende Nebenwirkungen. Vor allem die Personen, die zwanzig Wurmlarven erhalten hatten, zeigten gesundheitliche Verbesserungen: Innerhalb eines Jahres normalisierten sich die Werte für die Insulinresistenz bei diesen Teilnehmern. Bei den Probanden mit 40 Larven verbesserte sich die Insulinresistenz ebenfalls, aber nicht im selben Ausmaß. Diejenigen, die ein Placebo erhalten hatten, litten hingegen unter einem Anstieg ihrer Insulinresistenz. Die Ergebnisse demonstrieren somit, dass eine Impfung mit Hakenwürmern gefährliche Vorboten des Typ-2-Diabetes reduzieren kann.
Bessere Stimmung durch Parasiten
Darüber hinaus fand man bei mit Würmern infizierten Probanden mehr Zytokine – kleine Proteine, die für die Stimulation von Immunreaktionen zuständig sind. Dieser Befund passt zu vorherigen Studien, die einen Zusammenhang zwischen einer solchen Immunaktivität, einer Infektion mit Parasiten und einer Verbesserung der Insulinresistenz fanden. Im Vergleich zur Placebo-Gruppe berichteten die Studienteilnehmer, die die Würmer erhalten hatten, außerdem von mehr psychischem Wohlbefinden.
Hakenwürmer bald als Medikament gegen Diabetes?
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher Proben untersuchen, die Aufschluss über mögliche Veränderungen des Darmmikrobioms geben. Damit möchten sie herausfinden, ob ein Überschuss oder ein Mangel an bestimmten Bakterien im Darm mit einer Insulinresistenz einhergeht und wie Hakenwürmer darauf Einfluss nehmen.
Bevor die Hakenwurm-Impfung in der Praxis eingesetzt werden kann, müssen jedoch noch weitere Studien mit mehr Probanden durchgeführt werden. Dennoch sind die Erkenntnisse der Untersuchung von der James Cook University sehr aufschlussreich – sie zeigen, dass eine Impfung mit Hakenwürmern sicher ist und die Insulinresistenz reduzieren kann. Möglicherweise kann in Zukunft bestimmt werden, wie genau die Würmer gesundheitsförderlich wirken. Somit könnte man vielleicht Therapien entwickeln, die die Wirkung der Parasiten imitieren, ohne dass diese lebend in den Körper eingeschleust werden müssen.
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