Fast ein Fünftel der Erwachsenen in Deutschland ist laut RKI von Adipositas betroffen. Dabei handelt es sich um starkes Übergewicht, das seit 1975 mehr als drei Mal so viele Menschen betrifft. Nicht nur optisch wird dieses zum Problem – durch das zusätzliche Gewicht steigt auch das Risiko Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten, Schlaganfälle oder andere Stoffwechselstörungen zu entwickeln. Überraschenderweise scheinen Frauen vor der Menopause davor geschützt zu sein, denn sie erkranken im Vergleich viel seltener als Männer. Der Grund dafür liegt in ihren Geschlechtshormonen.
Östrogene regulieren Sättigung
Das wurde in einer neuen Studie am Helmholtz Zentrum München gezeigt. Die Forscher konnten nachweisen, dass weibliche Sexualhormone, insbesondere Östrogene, maßgeblich an der Regulation des Sättigungsgefühls beteiligt sind. Bereits frühere Studien ließen darauf schließen, dass die weiblichen Hormone einen Einfluss auf den Stoffwechsel ausüben.
Frauen neigen nach den Wechseljahren deutlich häufiger zu Übergewicht als vor der Menopause. Diese Tendenz findet sich nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Säugetieren. Welche Proteine aber im Gehirn daran beteiligt sind, konnte bislang nicht herausgefunden werden.
Wenn der Hunger bleibt
Das Forschungsteam aus Deutschland konnte nun aber zeigen, dass das weibliche Geschlechtshormon Östradiol, welches zur Gruppe der Östrogene zählt, maßgeblich an der Regulierung der Sättigung beteiligt ist. Ernährungs-induziertes Übergewicht wird vor allem durch eine Resistenz gegenüber dem Protein Leptin ausgelöst, das dem Hypothalamus normalerweise Sättigung signalisiert. Kommt es aber zu einer Resistenz gegenüber dem Protein, so verspüren wir kein Sättigungsgefühl, obwohl eigentlich genug Nährstoffe aufgenommen wurden. Doch Östradiol scheint laut den Wissenschaftlern die Sensitivität gegenüber Leptin zu erhöhen, sodass einer Resistenz vorgebeugt wird.
Ein spezifisches Protein, das in der Studie besonders genau untersucht wurde, ist Cited1. Es findet sich in einem bestimmten Teil des Hypothalamus, wo es in Östradiol-sensitiven Neuronen stark angereichert vorliegt. Dort interagiert es mit dem Rezeptor für Östradiol und erlaubt dem Hormon die Sensitivität gegenüber Leptin zu erhöhen – in Folge steigt das Sättigungsgefühl.
Genverlust verdoppelt Körpergewicht
Effektiv gezeigt werden konnte die Theorie an einem Modell mit Mäusen. Dazu wurde das Gen, welches für das Cited1 Protein kodiert, ausgeschaltet. Nach einem Beobachtungszeitraum von neun Wochen hatten diese Mäuse ihr Körpergewicht fast verdoppelt. Bei weiblichen Mäusen war der Effekt besonders stark – sie entwickelten zusätzlich eine typisch männliche Fettverteilung.
Die Forscher schließen daraus: Bei der Regulation des Stoffwechsels liegen geschlechtsspezifische Unterschiede vor. In der Behandlung von Erkrankungen, die durch Übergewicht ausgelöst werden, sollen diese Faktoren zukünftig berücksichtigt werden.
Insgesamt konnte zwar gezeigt werden, dass Cited1 eine Auswirkung auf das Sättigungsgefühl hat – welche molekularen Mechanismen sich aber noch dahinter verbergen, soll Thema für weitere Studien sein. Außerdem soll auch an Menschen erforscht werden, welche Auswirkung das Protein auf unser Sättigungsgefühl hat.
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