In Deutschland leiden zwischen 1,3 und 1,9 Millionen Menschen an der rätselhaften Wikinger-Krankheit, die auch Morbus Dupuytren genannt wird. Diese führt dazu, dass die Finger nicht mehr richtig bewegt werden können. Bisher war es Experten ein Rätsel, wie genau die Krankheit entsteht. Nun hat ein internationales Forscherteam entdeckt: Die Ursache liegt bei unseren Cousins – den Neandertalern.
Was ist die Wikinger-Krankheit?
Ihren seltsamen Namen verdankt die Wikinger-Krankheit der Tatsache, dass sie vor allem bei Männern vorkommt, die aus Nordeuropa stammen. Frauen erkranken generell seltener daran. Aufgrund von gutartigen Wucherungen des Bindegewebes entstehen bei den Patienten Knoten in der Handinnenfläche. Diese führen irgendwann dazu, dass die Betroffenen ihre Finger nicht mehr ausstrecken können, was häufig den Klein- und Ringfinger betrifft. Zwar ist dies meist nicht mit Schmerzen verbunden, schränkt jedoch die Bewegungsfreiheit stark ein. Bisher gibt es keine Heilung für die Wikinger-Krankheit. Da sich das Bindegewebe über Jahre hinweg oft nur langsam verändert, sind die Verknotungen für manche Patienten kein großes Problem. Schränkt die Krankheit jedoch zu sehr ein, kommt nur eine Operation in Frage.
Risikofaktoren für die Entstehung der Wikinger-Krankheit sind Diabetes, Epilepsie und zu viel Alkohol. Schon seit längerem wird vermutet, dass auch eine erbliche Veranlagung eine Rolle spielt. Nun konnten Forscher des renommierten Karolinksa Institutet in Schweden zusammen mit anderen Wissenschaftlern die genauen Mechanismen hinter der Entstehung der Wikinger-Krankheit entschlüsseln. Diese hängen eng zusammen mit der gemeinsamen Geschichte des modernen Menschen und seines Verwandten, dem Neandertaler.
Das Erbe unseres Cousins
In ihrer Studie, die kürzlich im Journal „Molecular Biology and Evolution“ veröffentlicht wurde, analysierte das internationale Forscherteam die Gene von etwa 7.000 Betroffenen der Wikinger-Krankheit aus Großbritannien, den USA und Finnland. Diese verglichen sie mit dem Erbgut von mehreren Hunderttausend gesunden Menschen. Da die Wikinger-Krankheit vor allem bei Menschen nordeuropäischer Herkunft vorkommt, hatten die Wissenschaftler eine Vermutung: Möglicherweise wird sie durch Gene verursacht, die von den Neandertalern stammen. Tatsächlich zeigte sich: Drei der stärksten genetischen Risikofaktoren für die Wikinger-Krankheit, die in der Studie identifiziert wurden, haben wir unseren evolutionären Verwandten zu verdanken.
Der Neandertaler lebt in uns fort
Die Neandertaler hatten sich in Europa und in Westasien angesiedelt, bevor der moderne Mensch sie vor etwa 40.000 Jahren verdrängte. Allerdings kam es zuvor zu gemeinsamen Nachkommen zwischen den beiden Menschenarten, sodass unser heutiges Erbgut zu etwa einem bis zwei Prozent aus Neandertaler-Genen besteht.
Für Menschen afrikanischer Abstammung gilt dies jedoch nicht: Von unseren frühesten Vorfahren, die in Afrika lebten, wanderten nämlich nur einige Richtung Norden, wo sie sich mit den dort angesiedelten Neandertalern vermischten. Die frühen Menschen, die in Afrika blieben, kamen hingegen nicht mit unseren evolutionären Cousins in Kontakt. Vermutlich ist das der Grund, warum die Wikinger-Krankheit in Afrika kaum vorkommt.
Jedenfalls sind die Ergebnisse der Forscher vom Karolinska Institutet ein weiterer Hinweis dafür, dass die Neandertaler uns noch heute prägen – und beeinflussen, an welchen Krankheiten wir leiden.
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