„Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren“ ist ein deutsches Sprichwort, das den gelegentlichen Griff zum edlen Tropfen Wein propagiert und in irgendeiner Weise sogar versucht, auf dessen Notwendigkeit hinzudeuten. Nicht umsonst sind viele der Annahme, dass moderater Alkoholkonsum sogar gesundheitsfördernd sei und man Körper und Geist damit überdies einen Gefallen täte. Diesen Mythos, dass Alkohol in Maßen einen positiven Effekt auf die Gesundheit hätte, konnten ForscherInnen nun endgültig widerlegen.
In vino veritas – oder doch nicht?
Dafür, dass im Wein bekanntlich die Wahrheit liege, konnten bereits unzählige Studien die gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Alkohol auf die Gesundheit des Menschen festmachen. Es ist allgemein akzeptierter Konsens, dass übermäßiger Alkoholkonsum krank macht. Das Paradoxe dabei: Die gesellschaftliche Akzeptanz bzw. Anerkennung von Alkohol im Gegensatz zu anderen Suchtmitteln, die in der ständigen Zugänglichkeit von Spirituosen resultiert. Alkohol ist ein Nervengift, das die Zellen im Körper angreift und erhebliche Schäden verursachen kann. Neben der Abhängigkeit birgt er unzählige weitere Gefahren: Chronische Krankheiten wie beispielsweise Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Entzündungen des Magen-Darm-Trakts können die Folge sein. Organen wie dem Gehirn oder der Leber setzt starker Alkoholkonsum besonders zu.
Moderates oder gar regelmäßiges Trinken von Alkohol in geringen Maßen wird jedoch oftmals als verdauungsfördernd angepriesen und das Gläschen Rotwein als empfehlenswert tituliert. Diverse Studien beschworen in der Vergangenheit die positiven Effekte einer kleinen Menge Alkohol am Tag auf die Gesundheit, da diese vor Schlaganfällen und Herzinfarkten schützen solle bzw. das Risiko für eine erneute Herzattacke oder Angina pectoris (= Brustenge) senken würde.
Neue Studien räumen mit dem Mythos auf
Eine aktuelle britische Studie des University College London und der Anglia Ruskin University konnte die Legende des gesundheitsfördernden moderaten Alkoholkonsums nun ein für allemal in die Welt der Märchen und Sagen verbannen. Die Beobachtung bzw. Analyse der 300.000 ProbandInnen der Studie, die im Fachjournal „Clinical Nutrition“ erschien, lieferte ernüchternde Ergebnisse: Bereits eine geringe Dosis alkoholischer Getränke erhöhe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Vor allem Bier-, Apfelwein- und Spirituosentrinker hatten sogar bei einem Konsum von weniger als 14 Einheiten pro Woche ein erhöhtes Risiko, durch ein kardiovaskuläres Ereignis mit Beteiligung des Herzens oder der Blutgefäße im Krankenhaus zu landen“, so der Physiologe Rudolph Schutte, einer der an der Studie beteiligten WissenschaftlerInnen.
ForscherInnen der Universität Greifswald kamen zu ähnlich eindeutigen Ergebnissen. „Bisherige Studien legten nahe, dass Menschen, die geringfügige bis moderate Mengen trinken, länger leben [als Menschen, die gar keinen Alkohol trinken]. Dies führte lange zur Schlussfolgerung, mäßiger Alkoholkonsum könne gesundheitsfördernde Effekte haben, insbesondere in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System. Dies konnten wir nun klar widerlegen“, erklärte Professor und Studienleiter der Universitätsmedizin Greifswald Ulrich John. Als Basis für ihre Untersuchungen diente den WissenschaftlerInnen eine Umfrage aus den Jahren 1996/1997, an der rund 4.000 Befragte beteiligt waren. Die Analyse der Umfrage ergab, dass kein Unterschied zwischen Menschen, die täglich etwas Alkohol zu sich nahmen und jenen, die abstinent lebten, bestand. Somit konnte die Empfehlung, aus gesundheitlichen Gründen Alkohol zu trinken, negiert werden.
Die Herkunft des Mythos
Laut den ForscherInnen der Anglia Ruskin University beruhen Annahmen, wie beispielsweise die vorteilhaften Wirkungen mäßigen Alkoholkonsums bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auf systematischen Abweichungen bzw. Verzerrungen innerhalb von Versuchsgruppen in entsprechenden Studien. In vielen solcher Studien würden Menschen, die wenig oder moderat trinken, mit jenen verglichen, die in völliger Abstinenz leben. Hierbei gilt es jedoch zu bedenken, dass AbstinenzlerInnen oft aus gesundheitlichen Gründen, etwa aufgrund von akuten Krankheiten, auf Alkohol verzichten. Dadurch kann die Gruppe der Abstinenz ausübenden Menschen generell als „kränker“ klassifiziert werden als die Gruppe, die wenig bis moderat trinkt. Da die objektive Vergleichbarkeit der Versuchsgruppen dadurch nicht mehr gewährleistet war, konnten die älteren Studien entkräftet werden.
Die Daten der britischen Studie zeigten ebenfalls, dass AbstinenzlerInnen durchschnittlich älter und weniger körperlich aktiv waren, sowie einen höheren Blutdruck bzw. BMI aufzuweisen hatten. Da dies die entscheidenden Faktoren seien, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen würden, verglichen die Forschenden Menschen, die Alkohol in größeren Mengen konsumierten mit solchen, die sehr wenig tranken. Wie oben aufgeführt wirkte sich bereits der gemäßigte tägliche Konsum von Alkohol auf das kardiovaskuläre System der Menschen und in weiterer Folge auf ihre Gesundheit aus. Dementsprechend sollte nach der Wahrheit wohl besser auf anderem Wege und weniger im Wein gesucht werden.
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