Immer mehr Menschen in Deutschland erkranken an Diabetes Typ 2. Setzt sich die aktuelle Entwicklung ungebremst fort, werden Experten zufolge im Jahr 2040 bis zu zwölf Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes erkrankt sein. Doch ein gesunder Lebensstil mit körperlicher Bewegung und frischen, regionalen Speisen kann dies verhindern. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) erklärt, wie Verbraucher mit Diabetes-Prävention auch gleichzeitig das Klima schützen, aber sieht dabei auch die Politik in der Verantwortung.
Ein ungesundes System
Das aktuelle Nahrungsmittelsystem schadet nicht nur dem Planeten, indem es Berechnungen zufolge etwa ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verursacht, es schadet auch den Menschen, erklärt die Vorsitzende des DDG-Ausschusses Ernährung, Prof. Dr. med. Diana Rubin. „Unser Nahrungsmittelsystem verleitet zum Überkonsum von verarbeiteten, hochkalorischen und tierischen Produkten mit viel Salz, Zucker und gesättigten Fetten“, so die Expertin. Dies begünstige die Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2, Übergewicht, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Damit entstehen für das deutsche Gesundheitssystem jährliche Kosten von über 16,8 Milliarden Euro.
Expertin rät zu neuem Speiseplan
Statt der klima- und gesundheitsschädlichen Ernährung empfiehlt die DDG-Expertin Rubin die planetare Gesundheitsdiät der EAT-Lancet-Kommission. „Der Speiseplan ist unkompliziert. Es sollten pro Woche ein bis zwei Eier sein, ein Stück Fleisch und ein Stück Fisch, Milch und Milchprodukte dürfen sich auf 250 Gramm pro Tag belaufen. Den Rest sollten vor allem Gemüse, Obst und Getreide beisteuern“, beschreibt Rubin. Daten des Lancet Countdown Berichts 2020 zeigten, dass 2017 die Haltung von Wiederkäuern, hauptsächlich von Rindern, 62 Prozent der Treibhausgasemissionen des Landwirtschaftssektors ausmachte. Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse integrieren Deutsche dagegen zu wenig in ihren Speiseplan. Ernährungsmedizinerin Rubin empfiehlt auch mal Neues zu wagen: „Es mag interessant sein, Alternativen zu Fleisch oder Kuhmilch auszuprobieren. Tofu, pürierte Kidney-Bohnen oder Seitan schmecken mit entsprechender Würze recht fleischähnlich, und wer Kaffee leicht süß mag, kommt vielleicht mit Hafermilch gut zurecht.“
Gut für Mensch und Planet
„Die Produkte sollten frisch sein, regional und saisonal hergestellt“, betont Rubin. „Vermeiden Sie generell Fertiglebensmittel mit leeren Kalorien, Zusatzstoffen, zu viel Salz und verstecktem Zucker. Behalten Sie die Kontrolle, indem Sie selbst kochen.“ So tun Sie sich und dem Klima etwas Gutes, denn der Verkehrssektor verursacht sogar ein Viertel der Treibhausgasemissionen in Europa. Dabei treibt er nicht nur den Klimawandel an, die Abgase verschmutzen auch die Luft. Zudem führt ein Auto-zentrierter Lebensstil zu Bewegungsmangel, der Adipositas und Diabetes Typ 2 fördert. „Alles gute Gründe, im Verkehr den Umstieg vom passiven auf aktiven Transport zu fördern, etwa mit sicheren und begrünten Rad- und Fußgängerwegen oder Umweltzonen“, sagt Professor Dr. Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München.
Mehr Bewegung, weniger Luftverschmutzung
„Von weniger Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid würden fast alle Organe, Systeme und Prozesse des menschlichen Körpers profitieren“, erklärt Epidemiologin Peters. Eine Verringerung von Luftschadstoffen und Hitzestress würde demnach Atemwegs-, Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen reduzieren. Außerdem ist regelmäßige körperliche Aktivität bekanntlich gesund: Sie reduziert das Risiko für kardiovaskuläre und psychische Erkrankungen, Übergewicht und Adipositas, und damit Diabetes Typ 2.
Politik muss handeln
„Klimaschutz und Diabetesprävention sind zwei Seiten einer Medaille“, resümiert DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer. So könnten Menschen täglich mit einfachen Mitteln ihr Erkrankungsrisiko senken und ihren eigenen Einfluss auf den Klimawandel reduzieren. Doch die DDG-Chefin sieht auch Politiker in der Verantwortung. Sie fordert: „Es ist dringend notwendig, gesunde Lebensmittel von der Mehrwertsteuer zu befreien und gleichzeitig die Mehrwertsteuer für ungesunde Produkte anzuheben, Rad- und Fußwege auszubauen, Kindern und Jugendlichen täglich eine Stunde Bewegung in Kita und Schule zu ermöglichen und – wie es bereits internationaler Konsens ist – Kinder vor Werbung für gesundheitsgefährdende Produkte durch ein entsprechendes Verbot zu schützen.“
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