Balance, Motorik, koordinierte Bewegungsabläufe – bei all diesen Fähigkeiten spielen nicht nur Muskeln und Innenohr eine bedeutende Rolle, sondern auch unser Kleinhirn. Doch der Funktionsbereich dieses Hirnareals beschränkt sich nicht auf den Bewegungsapparat – laut einer aktuellen Schweizer Studie beeinflusst unser Kleinhirn darüber hinaus emotionale Verarbeitungsprozesse.
Emotionales Gedächtnis beeinflusst Handeln
Ereignisse, die mit starken Gefühlsregungen einhergehen, bleiben besonders im Gedächtnis – dies gilt sowohl für positive als auch für negative Erlebnisse. Obwohl bestimmte Erinnerungen im Unterbewusstsein verbleiben, wirken sie sich dennoch auf relevante Entscheidungsprozesse und spontanes Handeln aus. Dieser Mechanismus trägt maßgeblich zur menschlichen Überlebensfähigkeit bei, da Gefahrensituationen verinnerlicht und folglich vermieden werden können.
Amygdala als Emotionserzeuger
Bislang gingen Forscher davon aus, dass dieses Phänomen in erster Linie auf die Funktionsweise der Amygdala zurückzuführen sei. Hierbei handelt es sich um jenes Gehirnareal, welches Emotionsäußerungen reguliert. Des Weiteren verarbeitet die Amygdala externe Reize und provoziert in weiterer Folge entsprechende Reaktionen im Körper. Dieser Vorgang ist vor allem bei der Generierung von Angst stark ausgeprägt. Da dieser Gehirnbereich zudem Informationen im Großhirn abspeichert, entstand die These, dass dieses Hirnareal auch die Speicherung von Gefühlen kontrolliert.
Kleinhirn reguliert emotionale Erinnerungen
Wissenschaftler der Universität Basel rückten nun allerdings ein anderes Gehirnareal in den Fokus ihrer Untersuchungen. Im Zuge eines umfangreichen Forschungsprojektes wurden 1.418 Probanden grafische Darstellungen unterbreitet, die entweder eine sentimentale oder neutrale Situation veranschaulichten. Währenddessen untersuchte das Team die Gehirnströme der Teilnehmer mithilfe der Magnetresonanztomografie, um festzustellen, welche Gehirnareale auf die visuellen Reize besonders reagierten. Der anschließende Gedächtnistest belegte, dass den Versuchsteilnehmern gefühlsbetonte Darstellungen viel eher im Gedächtnis blieben als neutrales Bildmaterial. Basierend auf der dokumentierten Hirnaktivität gelangten die Mediziner zudem zu der Erkenntnis, dass neben dem Großhirn ebenso das Kleinhirn verstärkte Aktivität aufwies.
Relevante Forschungsgrundlage geschaffen
Den Experten gelang es somit erstmals nachzuweisen, dass das Kleinhirn bei der Speicherung emotionaler Eindrücke mit dem Großhirn in Verbindung tritt. Zudem konnte auch die Kommunikation mit anderen Hirnregionen wie der Amygdala und dem Hippocampus belegt werden. „Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Kleinhirn ein integraler Bestandteil eines Netzwerks ist, welches für die verbesserte Abspeicherung emotionaler Informationen verantwortlich ist“, konkludiert Forschungsleiter Professor Dr. Dominique de Quervain. Die Resultate könnten nicht nur zu einem besseren Verständnis zerebraler Prozesse führen, sondern außerdem die Entwicklung innovativer Behandlungskonzepte begünstigen. Dies sei vor allem im Bereich der Psychotherapie relevant, um mentale Probleme, die durch affektive Erfahrungen hervorgerufen wurden, effektiver zu behandeln. Davon würden insbesondere jene Patienten profitieren, die an Angst- oder posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.
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