Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Alzheimer. Die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter: Während nur drei Prozent der 70-Jährigen von der degenerativen Erkrankung betroffen sind, fällt der Anteil bei den 85-Jährigen mit 20 Prozent erheblich höher aus. Dennoch gelten die genauen Ursachen der Erkrankung bislang als unzureichend erforscht. Ein englisches Forschungsteam entschlüsselte nun jedoch entscheidende Zusammenhänge, welche zu einem besseren Verständnis der Krankheitsentwicklung beitragen könnten.
Bedeutende Biomarker bereits entschlüsselt
Im Rahmen zuvor durchgeführter Studien wurden bereits unterschiedliche Biomarker der Alzheimer-Erkrankung entdeckt, dank denen das Stadium der Krankheit besser eingeschätzt werden kann. Dazu zählen unter anderem Plaques der Eiweißstoffe Amyloid (A) und Tau (T). Ein weiterer ausschlaggebender Indikator stellt die sogenannte Neurodegeneration (N) dar. Darunter wird die kontinuierliche Rückbildung bestimmter Gehirnareale verstanden. In Kombination bilden diese drei Marker das ATN-Netzwerk – ein bedeutender Ansatz zur Klassifizierung der Erkrankung. Trotz dieses Forschungsdurchbruchs reichen die identifizierten Biomarker nicht aus, um die pathologische Entstehung und Entwicklung der Krankheit vollständig aufzuklären.
Zahlreiche biologische Informationen berücksichtigt
Im Zuge des Forschungsprojektes analysierten die Experten des King’s College London Proben von Hunderten von Probanden aus einer europäischen Studie. Die Forscher untersuchten die biologischen Informationen auf verschiedenen Ebenen – Gene, Proteine, Metaboliten, kognitive Fähigkeiten und klinische Diagnosen aller Versuchsteilnehmer wurden in Betracht gezogen. Darüber hinaus berücksichtigten die Mediziner, ob die Probanden an Alzheimer erkrankten.
Neue Zusammenhänge ergründet
Durch die Evaluierung der vorliegenden Daten gelang es dem Forschungsteam erstmals einen Zusammenhang zwischen genetischen Bedingungen, Abweichungen im ATN-Netzwerk sowie bisher unerforschten molekularen Veränderungen zu ergründen. Konkret entdeckten die Wissenschaftler zwei wesentliche Faktoren, die mit der Entstehung von Alzheimer in Verbindung stehen. Zum einen identifizierten die Mediziner eine entscheidende Kausalität zwischen dem Eiweißstoff PCSK7 und Anomalien im ATN-Netzwerk. Laut dem Forschungsteam sei diese Erkenntnis potenziell von therapeutischer Bedeutung, da sich das Protein PCSK7 in einer Region befindet, die für Gedächtnisverlust verantwortlich sein könnte. Zum anderen fanden die Fachleute heraus, dass ein Protein namens RCN2 sowie bestimmte Lipide, sogenannte Sphingomyeline, signifikante Veränderungen aufweisen. Aktuell vermuten die Experten, dass diese Abweichungen auf ein bestimmtes Gen namens APOE zurückzuführen sind – einer der häufigsten genetischen Risikofaktoren für Alzheimer.
Tiefergehende Forschung erforderlich
„Diese Studien sind selten und aussagekräftig, da wir die einmalige Gelegenheit haben, modernste statistische Methoden anzuwenden, um eine Momentaufnahme verschiedener biologischer Systeme zu erhalten. Wir können erfahren, wie sie miteinander verknüpft sind und wie sie mit der Alzheimerkrankheit in Verbindung stehen“, konkludiert Studien-Co-Leiterin Dr. Petroula Proitsi vom King’s College London. Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen vermuten die Experten einen potenziellen Zusammenhang zwischen Gefäßkrankheiten und Demenz, der noch tiefergehender Forschung bedarf. Zudem erhofft sich das Team, dass zukünftig Medikamente entwickelt werden, die auf den PCSK7-Signalweg im Gehirn abzielen. Dadurch könnte das Fortschreiten der kognitiven Probleme verlangsamt oder im Optimalfall sogar aufgehalten werden.
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