Ungesunde Ernährung, geschlossene Fitnessstudios, Stress und Eintönigkeit – die COVID-19-Pandemie hinterlässt ihre Spuren nicht nur in psychischer, sondern auch in physischer Form. Seit Pandemiebeginn hat die deutsche Bevölkerung im Durchschnitt rund 5,6 Kilogramm an Gewicht zugelegt, obgleich mindestens genauso lange einheitlicher Konsens darüber besteht, dass Übergewicht und Adipositas das Risiko eines schweren SARS-CoV-2-Verlaufs signifikant erhöhen. Aktuelle Studien konstatieren nun: Insbesondere Bauchfett dient als Corona-Reservoir – auch bei vermeintlich schlank aussehenden Menschen.
Ein dickes Problem
Wie diverse Studien seit Beginn der Pandemie konstatierten, waren viele der am schwersten erkrankten COVID-19-PatientInnen fettleibig. Eine erste Metaanalyse von Forschenden aus der ganzen Welt untersuchte bereits im August 2020 die Daten von 399.000 Infizierten. Diesen konnte entnommen werden, dass adipöse Menschen bei einer Corona-Infektion eine 113 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit aufwiesen, ins Krankenhaus zu kommen, mit 74 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit auf der Intensivstation behandelt werden mussten und das Risiko, an COVID-19 zu sterben, ebenfalls um satte 48 Prozent anstieg.
Wie gefährlich Fettgewebe für die Virusinfektion und -vermehrung von SARS-CoV-2 jedoch wirklich ist und welche Konsequenzen es für den Stoffwechsel hat, demonstriert eine Studie des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie und des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf. Aufgrund von Gewebeproben, die verstorbenen COVID-PatientInnen entnommen wurden, konnten die ForscherInnen feststellen, dass sich das Virus vor allem im Fettgewebe einnistete – überwiegend bei übergewichtigen oder adipösen Männern. „Die Viren vermehren sich im Fettgewebe“, bestätigt auch Matthias Blüher, Vorstandsmitglied der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und Oberarzt am Universitätsklinikum Leipzig.
Eine weitere Studie aus den USA, die allerdings noch nicht überprüft wurde, konnte ähnliche Ergebnisse erzielen: Das Virus scheint die Fettzellen nicht nur unmittelbar zu infizieren, sondern induziert bei schweren COVID-19-Fällen eine direkte Entzündung in den Fettzellen. Zudem würden die Fettzellen vom Coronavirus effektiv als Depot genutzt, um sich zu verstecken und das Immunsystem somit in seiner Arbeit zu beeinträchtigen. „Die Daten unserer Studie deuten darauf hin, dass die Infektion des Fettgewebes und die damit verbundene Entzündungsreaktion einer der Gründe dafür sein könnte, warum fettleibige Personen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 so schlecht abschneiden“, so die Hauptautorin der Studie, Dr. Catherine Blish, die als Professorin am Stanford University Medical Center tätig ist.
Fett ist nicht gleich Fett
Im menschlichen Organismus findet man zwei Arten von Fett vor: das subkutane und das viszerale. Ersteres wird auch Unterhautfettgewebe genannt, da es von außen sichtbar ist und direkt unter der Haut liegt. Es dient als Energiespeicher und „Isoliermaterial“ des Körpers, schützt ihn vor Verletzungen und versorgt ihn mit Wärme. Abgesehen davon nimmt es eine eher untergeordnete Rolle ein und wirkt sich in keinerlei Weise negativ auf den Menschen aus. Viszerales Fett sitzt hingegen tiefer, lagert sich um die Organe im Bauchraum und ist dementsprechend gefährlich. MedizinerInnen kategorisieren es als stoffwechselaktives Gewebe, da es etwa 200 Botenstoffe und Entzündungsmoleküle produziert, die laufend in den Kreislauf gespült werden. Zudem sondert es ungesunde Fettsäuren ins Blut ab und stellt Gewebshormone her, die die Insulinsensitivität herabsetzen sowie den Blutdruck erhöhen. Ebendiese gelten als Risikofaktoren für einen schweren COVID-Verlauf.
Wie eine internationale Studie unter der Leitung der Universität Bern feststellen konnte, lassen sich bestimmte angeborene Immunzellen, sogenannte Eosinophile, die vorwiegend im Blut vorkommen, auch im Bauchfett von Menschen detektieren. Eosinophile können als Abwehrinstanz gegen Parasiten gesehen werden, die Entzündungsprozesse regulieren, jedoch mit zunehmendem Alter im Fettgewebe abnehmen. Unterdessen kommt es zu einer Zunahme von entzündungsfördernden Makrophagen – unabhängig davon, ob eine Person nun an Übergewicht leidet oder nicht. „Wir zeigten nur, dass es im Alter zu einer Umverteilung des Fetts kommt. Es sammelt sich im Bauchraum an und wird zum chronischen Entzündungsherd, wenn die Zahl der Eosinophile sinkt“, erläuterte Prof. Dr. Alexander Eggel, der an der Studie beteiligt war.
Hier geht’s direkt zu Teil 2 von Weg mit dem Speck! Wie Bauchfett als Corona-Depot fungiert
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