Wie genau sich Lernprozesse im Gehirn vollziehen, ist nach wie vor ein interessantes Phänomen. Meist beschäftigen sich Forscher jedoch mit den Gehirnen von Erwachsenen. Eine neue Studie des Instituts für Angewandte Psychologie der Universität Wien, der FU Berlin und des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaft hat nun den Fokus auf Babys gelegt und herausgefunden, welche Prozesse in ihrem Gehirn beim Lernen aktiviert werden.
Überraschende Ereignisse haben Effekt auf das Lernen
Das ganze Leben hindurch werden wir mit neuen Informationen konfrontiert und fügen sie zu unserem Wissensvorrat hinzu. Welche Prozesse in den Gehirnen von Babys bei der Verarbeitung neuer Ereignisse ablaufen, war bislang zu einem großen Teil unbekannt. Die Wissenschaftler rund um die Entwicklungspsychologin Stefanie Höhl von der Universität Wien haben nun im Rahmen eines neuen Forschungsprojekts grundlegende Aspekte der Lernmechanismen von Babys ermittelt. Das Resultat: Babys lernen anhand von Überraschungen. Die Untersuchungsergebnisse wurden im Fachjournal „Psychological Science“ vorgestellt.
Die neue Studie schloss 38 neun Monate alte Babys mit ein. Diesen wurden Bildergeschichten vorgelegt, welche entweder ein erwartetes oder unerwartetes Ende hatten. Zum Beispiel zeigte eine Geschichte einen Mann, der eine Brezel essen wollte und diese entweder Richtung Mund oder auf den Kopf bewegte. In einer anderen Geschichte fiel ein Ball auf den Tisch oder durch die Tischplatte hindurch. Während die Babys die Bildergeschichten ansahen, erstellten die Wissenschaftler ein Elektroenzephalogramm (EEG), das die Signale der Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen anzeigt. Das EEG deckt verschiedene Frequenzen ab, die mit unterschiedlichen kognitiven Prozessen in Zusammenhang gebracht werden können. Bei Erwachsenen ist der sogenannte Theta-Rhythmus zum Beispiel üblicherweise mit Lernprozessen verbunden.
Theta-Rhythmus reagiert sensibel auf Unerwartetes
Das EEG bei den Babys zeigte entweder eine Frequenz, die mit dem Theta-Rhythmus übereinstimmt, oder eine schnellere, die dem Alpha-Rhythmus entspricht. Zweiterer ist meist aktiv, wenn Menschen sich entspannen und nicht besonders aufmerksam sind. Die Messungen haben dementsprechend signalisiert, dass der Theta-Rhythmus bei den Babys besonders empfänglich für unerwartete Vorkommnisse war. Effekte auf den Alpha-Rhythmus, der auch analysiert wurde, gab es keine. Speziell dem Theta-Rhythmus kommt offensichtlich eine bedeutsame Rolle zu, denn er ist bereits früh während der Beobachtung von neuer, überraschender Information aktiv.
Können Babys zum Lernen angeregt werden?
Ob eine visuelle Stimulation des Theta-Rhythmus aktiv gefördert werden kann, damit Babys gezielt lernen, soll nun im Rahmen weiterer Forschungsarbeiten untersucht werden. Den Wissenschaftlern zufolge bieten visuelle Techniken zur Gehirnaktivierung neue Optionen, um der funktionellen Relevanz neuronaler oszillatorischer Dynamik in der frühen Gehirnentwicklung nachzugehen.
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