Schweizer Wissenschaftler sind auf einen neuartigen Wirkstoff gestoßen, der auch multiresistente Keime vernichtet. Da die Zahl lebensgefährlicher Bakterien steigt, gegen die keine herkömmlichen Antibiotika mehr etwas nutzen, ist dieser Fund von zentraler Bedeutung.
Antibiotikaresistenzen werden zu globalem Problem
Die zunehmende Verbreitung von Antibiotikaresistenzen stellt eine ernstzunehmende Bedrohung für die Menschheit dar. Zeigen derartige Medikamente keinerlei Wirkung mehr, können sogar kleine Entzündungen zu einem massiven Gesundheitsrisiko werden. Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat nun jedoch einen neuartigen Wirkstoff gefunden, welcher auch multiresistente Erreger auslöschen kann. Die neue Antibiotikaklasse weist laut den Angaben einen völlig außergewöhnlichen Wirkmechanismus auf.
Antibiotikaresistenzen breiten sich immer weiter aus und sind mittlerweile ein weltweites Problem. Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind speziell gramnegative Bakterien, welche gegen Carbapenem- und Cephalosporin-Antibiotika resistent sind, eine ernste Gefahr für die Menschheit. Diese Erreger können zu schweren, oftmals lebensbedrohlichen, Infektionen wie Blutvergiftungen, Hirnhautentzündungen oder Wundinfekten führen.
Laut einer Mitteilung der Universität Zürich (UZH) wurde die letzte neue Antibiotikaklasse gegen diese Mikroorganismen, die sogenannten Fluorchinolone, bereits in den 1960er-Jahren auf den Markt gebracht. Experten zufolge werden daher unbedingt neue Antibiotika mit innovativen Wirkverfahren gegen gramnegative Bakterien benötigt, vor allem da auch immer mehr Resistenzen gegen das letzte Reserve-Antibiotikum Colistin entstehen.
Neue Kategorie der synthetischen Antibiotika
Den Schweizer Forschern gelang es unter der Leitung der UZH und der Polyphor AG, einem ehemaligen UZH-Start-Up, eine neue Familie von synthetischen Antibiotika herzustellen, die gegen diverse gramnegative Mikroben eingesetzt werden können. Die neuen Antibiotika interagieren mit Proteinen der Außenmembran der Bakterien. Sie binden sich an fettähnliche Membranbestandeile, die Lipopolysaccharide, sowie an das Membranprotein BamA, welches für den Aufbau der äußeren Hülle der gramnegativen Bakterien notwendig ist. BamA ist die Hauptkomponente des sogenannten ß-Faltkomplexes (BAM), der für die Synthese der Außenmembran unverzichtbar ist. Binden sich die Antibiotika an dieses Protein, so wird die Bakterienmembran zerstört und die Zellen platzen. Durch die Außenmembran werden Bakterien vor giftigen Umwelteinflüssen und Antibiotika geschützt, zudem sorgt sie für die Aufnahme und den Export von Nährstoffen und Signalmolekülen. Auch wenn ihre Bedeutung für die Biogenese der Außenmembran immens ist, konzentrieren sich bislang keine klinisch erprobten Antibiotika auf die Schlüsselproteine. Die neuen Erkenntnisse wurden im Fachjournal „Nature“ vorgestellt.
Ergebnisse scheinen zielführend
Auch wenn die bisherigen Ergebnisse vielversprechend sind, ist die Forschung noch nicht abgeschlossen. Studien dieser Art sind komplex, denn es muss geklärt werden, welche Dosierung sinnvoll ist und ob der Effekt beim Menschen genauso gut ist wie beim Tiermodell. Eine der Substanzen soll nun am Menschen klinisch geprüft werden. Das sogenannte POL7306, ein erstes Leitmolekül der neuen Antibiotika-Familie befindet sich somit zurzeit in der präklinischen Entwicklung. Wie es im Kampf gegen Antibiotika-resistente Erreger tatsächlich weitergeht, bleibt daher vorerst abzuwarten.
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