Dass auch junge Menschen und Kinder an Covid-19 erkranken können, ist unbestritten. Dass sie im Vergleich zu Erwachsenen dennoch deutlich seltener und weniger schwer erkranken, ebenfalls. Doch bezüglich der Empfänglichkeit für das Virus und der Infektiosität gibt es noch blinde Flecken in der Forschung. Wie ansteckend sind Kinder wirklich?
Die Rolle von Kindern in der Pandemie
Bei vielen anderen Infektionskrankheiten wie etwa der Influenza gelten Kinder als diejenigen, die das Virus besonders stark in der Bevölkerung verbreiten. Bei SARS-CoV-2 sei das nicht der Fall – sagen die einen. Dass Kinder hochansteckend wären, die anderen.
Laut European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) dürften Kinder keine Treiber der Pandemie sein. Das bedeutet, sie spielen keine Hauptrolle bei der Verbreitung des Virus. In einer aktuellen Publikation analysierte das ECDC europaweite Daten und kam zu diesem Schluss.
Die wichtigsten Fakten in Kürze:
- Weniger als 5 Prozent aller registrierten Covid-19-Fälle in der EU bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum und dem Vereinigten Königreich sind Kinder (18 Jahre und jünger).
- Kinder haben häufiger milde oder keine Symptome; Dies bedeutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion unentdeckt und undiagnostiziert bleibt.
- Die Viruslast im Rachenraum von (symptomatischen) Kindern ist ähnlich hoch wie bei Erwachsenen und ebenso infektiös. Wie ansteckend asymptomatische Kinder sind, ist bisher nicht bekannt bzw. unvollständig erforscht.
- Kinder weisen im Vergleich zu Erwachsenen leicht geringere Mengen an Antikörpern auf (was auch mit den milderen Symptomen zusammenhängt); Jedoch fehlen auch hier weitere Daten.
Kinder als „stille Verbreiter“?
Eine aktuelle Studie aus den USA sorgt derzeit für Diskussionen. Sie zeigte, dass Kinder große Mengen des Virus im Mund- und Rachenraum tragen. Die Viruslast sei in den ersten Tagen nach Symptombeginn sogar höher als bei Erwachsenen, die auf der Intensivstation behandelt werden mussten. Dadurch dürfe man sich aber nicht in die Irre führen lassen, so Andrew Preston, Mikrobiologe der University of Bath. Denn die Studie suggeriere, dass von Kindern tendenziell eine hohe Ansteckung ausgeht. Jedoch konzentriere sie sich lediglich auf eine kleine Anzahl symptomatischer Kinder, die zur Behandlung ins Krankenhaus gekommen waren – und welche bei Krankheitszeichen isoliert und ohnehin nicht mit der Viruslast „durch die Bevölkerung“ laufen würden. Daher sei die Studie nicht repräsentativ für alle Kinder. Zudem zeige sie, was ohnehin bekannt ist: Dass die Virenkonzentration in den ersten Tagen nach Symptombeginn höher ist und von da an abfällt.
Infizieren sich Kinder weniger oft?
Die Forschenden zeigten auch, dass vor allem junge Kinder verglichen mit Jugendlichen und Erwachsenen weniger ACE2-Rezeptoren aufweisen – jene „Tore“, über die das Virus in die Körperzelle eintreten kann. Dies mache sie möglicherweise für eine Infektion weniger anfällig. Darüber hinaus können Kinder aber genauso hohe Viruslasten in sich tragen und auch andere Personen anstecken. Ob sie den Erreger auch leichter verbreiten, wird heiß diskutiert. Zumindest aus der vorliegenden Studie gehe nicht hervor, dass dem so sei. Sie sei schlicht nicht dafür konzipiert, diesbezüglich eine Aussage zu treffen.
Was bedeutet das für den Schulbetrieb?
Auch die Schulen als Orte mit besonderem Verbreitungspotenzial sollen demnach nicht bedeutender sein als andere öffentliche (Innen-)Räume. Laut ECDC wurden nur einige wenige Covid-19-Ausbrüche an Schulen dokumentiert; Sie kämen jedoch vor und vor allem das häufige Fehlen von Symptomen bei Kindern mache es schwer, Infektionsketten nachzuvollziehen. Aufgrund der aktuellen Daten gebe es jedoch keinen Hinweis darauf, dass eine Schulschließung die Ausbreitung des Virus signifikant eindämmen würde. Was man im Hinblick auf diese Einschätzung beachten muss: Die meisten Schulen waren in den vergangenen Monaten nicht oder nur sehr eingeschränkt geöffnet. Es wird sich also herausstellen, inwiefern sich der Schulstart tatsächlich auf das Infektionsgeschehen auswirkt.
Sind Kinder also ansteckender?
Belegt ist, dass die Viruslast bei Kindern etwa gleich hoch sein kann wie bei Erwachsenen. Dies allein erlaubt jedoch keine Aussage über die Ansteckung. Denn der genaue Zusammenhang zwischen Viruslast und Infektiosität sei nicht klar und weitere Faktoren wie Sprechen, Niesen und Husten bzw. das Hygieneverhalten der Kinder spielen ebenfalls eine Rolle.
Durch die Schul- und Kindergartenschließungen in den vergangenen Monaten sei es außerdem schwierig, Aussagen bezüglich der Ansteckung durch Kinder zu treffen. Wenn man Infektionsketten verfolge, stelle man oft fest, dass eine erwachsene Person das Virus in die Kita oder Grundschule hineingebracht hat.
Klar ist also nur: Vieles bleibt noch unklar. Zukünftige Entwicklungen werden erst neue Daten bringen müssen, die eine eindeutige Beurteilung zulassen.
Was meinen Sie?