Bisher kam eine Therapie mit modifizierten Immunzellen nur bei bestimmten Krebsarten zur Anwendung. Diese können bösartige Tumore abtöten und somit auch bei Menschen mit Krebs im Spätstadium eingesetzt werden, wie ein kanadisches Forschungsteam in einer aktuellen Studie nachgewiesen hat. Möglich macht dies ein veränderter Stoffwechsel, der zu einer besseren Überlebenschance der Killerzellen führt, damit diese länger innerhalb des Tumorgewebes überleben können. Dadurch soll ein gezieltes Abtöten von Krebszellen gewährleistet werden.
Solide Tumore bereiten Probleme
Vor allem im letzten Jahrzehnt hat die Krebsimmuntherapie enorme therapeutische Effekte mit Blutkrebs erzielt. Vor eine große Herausforderung stellte die Forschenden das aggressive Wachstum von sogenannten soliden Tumoren, die umgebendes gesundes Gewebe aushungern. Die immunsuppressiven Bedingungen in derem Inneren waren zudem eine weitere Hürde, die bisher nicht überwunden werden konnte. In der aktuellen Studie konnte aber der Stoffwechsel so verändert werden, dass natürliche Killerzellen (NK) die Abwehr von Krebszellen überwältigen konnten.
Energiekrise führt zu Funktionsverlust
„In dieser Studie entdeckten wir, dass der Stoffwechsel oder Energie-Knotenpunkt von NK-Zellen durch Tumore gelähmt wird, was dazu führt, dass die NK-Zellen eine Energiekrise durchmachen und ihre tumortötenden Funktionen verlieren“, erklärt Studienhauptautorin Poznanski gegenüber der Presse. „Mit diesem Verständnis waren wir in der Lage, die Dysfunktion der NK-Zellen umzukehren, indem wir ein bereits existierendes Stoffwechselmedikament umgestalteten, das ihre Energieproduktion wiederherstellte“, so Poznanski weiter.
Wie der Feind denken
Die Ergebnisse trugen zudem weiters dazu bei die jahrzehntealte Frage zu klären, wie es Tumorzellen gelingt, NK-Zellen zu unterdrücken. Die Forschenden nutzten dabei die Strategie „um deinen Feind zu besiegen, musst du wie dein Feind denken“, und programmierten den Stoffwechsel der Killerzellen dahingehend um, dass sie den Stoffwechsel von Tumorzellen nachahmten. Die modifizierten NK-Zellen konnten sich im Anschluss wesentlich besser an die Tumorumgebung adaptieren. „Wir hatten einfach gehofft, dass die modifizierten NK-Zellen der Unterdrückung in Tumoren besser widerstehen würden“, meint dazu Studienautor Prof. Ali Ashkar. Die Arbeitsgruppe schoss mit ihrem Ergebnis sogar über das Ziel hinaus: Die Immunzellen funktionierten nach der Veränderung sogar innerhalb von Tumorzellen besser als außerhalb. Sie nutzten die feindselige Umgebung des Tumors zu ihrem eigenen Vorteil aus und schlugen diesen sozusagen mit den eigenen Waffen.
Paradigmenwechsel in der Krebsimmuntherapie
„Dies ist der erste Bericht über eine Anti-Tumor-Immunzelle, die die Feindseligkeit von Tumoren zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzt“, betont Ashkar. Diese Erkenntnis könnte ein Paradigmenwechsel für die Krebsimmuntherapie bedeuten. Denn bisher hatten sich NK-Zellen nur gegen Blutkrebs bewährt: „Die umprogrammierten und trainierten NK-Zellen könnten bedeuten, dass Betroffene mit ansonsten unheilbaren Krebsarten eine sichere und wirksame Behandlungsoption haben“, ergänzt Ashkar. Bei Lungen- und Eierstockkrebs waren die Überlebensraten über die letzten 30 Jahre hinweg eher niedrig. Mit dieser neuen Erkenntnis könnte sich das nun ändern.
Behandlung zeigte wenige Nebenwirkungen
Die Forschenden betonen weiters, dass Immuntherapien mit NK-Zellen bislang als sicher gelten. Bis jetzt seien nur wenige Nebenwirkungen bekannt. „Dies könnte echtes Potenzial für die Behandlung von Eierstockkrebs, Lungenkrebs und anderen Tumoren mit schlechter Prognose haben“, ist sich Studienautor-Prof. Hal Hirte sicher. Insbesondere bei Eierstockkrebs handelt es sich um eine der stärksten, immunsuppressiven Tumorarten. Das sei auch der Hauptgrund dafür, dass sich die Überlebensraten bisher nicht verbessert hätten. Die in den präklinischen Modellen der Studie beobachteten therapeutischen Effekte sind laut Hirte ein großer Durchbruch. „Der nächste Schritt ist, diese vielversprechende Therapie in klinische Studien an Patienten zu überführen, und wir planen, die Studien bald zu starten, um diesen Ansatz bei Betroffenen mit rezidivierendem Eierstockkrebs zu testen“, prognostiziert Hirte.
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