Lange Zeit galten Bambusprodukte als besonders umweltfreundlich und nachhaltig – wohl kaum jemand zog bei der Verwendung gesundheitsschädliche Konsequenzen in Betracht. Fachleute weisen nun allerdings auf die Kehrseite der beliebten Alltagsartikel hin.
Unterschätzte Gesundheitsgefahr
Der Bundesverband Verbraucherzentrale rät dringlichst von der Benutzung von Kunststoffwaren aus Reis, Weizen oder Bambus ab. Obwohl diese Artikel nicht für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen sind, werden sie dennoch seit Jahren im Handel angeboten. Die Experten fordern die Bundesregierung und alle zuständigen Behörden dazu auf, Verbraucher unmittelbar über die Gesundheitsgefahr dieser Produkte aufzuklären. Des Weiteren drängen die Fachleute zu einem bundesweiten Rückruf sämtlicher Waren.
Politische Versäumnisse fördern die Produktverbreitung
Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale, kritisiert das aktuelle Vorgehen aufs Schärfste: „Es ist ein Skandal, dass der Handel Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterhin illegales und potenziell krebserregendes Plastik-Geschirr mit Bambus-, Reis- oder Weizenfasern anbietet. Der Bundesregierung und den Bundesländern ist spätestens seit Juni 2020 bekannt, dass der Verkauf illegal ist.“ Darüber hinaus bemängelt der Experte die fehlende Handlungsbereitschaft der Behörden. Durch mangelnde Informationen und nicht durchgeführte Rückrufaktionen seien Konsumenten einem vermeidbaren Gesundheitsrisiko ausgesetzt worden.
Welche Inhaltsstoffe sind gefährlich?
Bambus und andere enthaltene Naturmaterialien stellen noch keine Gesundheitsgefahr dar. Jedoch beinhalten die betroffenen Waren darüber hinaus gefährliche Kunststoffe, welche nicht mit Lebensmitteln in Berührung geraten sollten. Werden die Produkte höheren Temperaturen oder leichter Säure ausgesetzt, können gesundheitsschädliche Chemikalien wie Melamin und Formaldehyd in großen Mengen in die Nahrung gelangen. Bei Ersterem handelt es sich um eine chemische Verbindung, welche vor allem bei der Produktion von Kunst- und Klebstoffen zum Einsatz kommt. Obwohl die Chemikalie mit den Sinnesorganen meist nicht wahrgenommen wird, kann sie zu Nieren- und Blasenschäden führen. Formaldehyd dient vielen chemischen Verbindungen als Ausgangsstoff. Die Spurenchemikalie ist zwar auch in der Natur aufzufinden, dennoch gilt sie als haut- und schleimhautreizend und begünstigt beim Inhalieren das Auftreten von Krebs im Nasenrachenraum.
Umfangreicher Verkauf trotz Grenzwertüberschreitungen
Aufgrund der gesundheitsschädlichen Bestandteile beurteilte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Geschirr und To-Go-Artikel aus Kunststoff und Bambus als ungeeignet für den Kontakt mit Getränken und heißen Speisen. Angesichts der besorgniserregenden Grenzwertüberschreitungen in Bambuswaren schlugen zahlreiche Untersuchungsämter bereits im Jahr 2014 Alarm. Obwohl im Rahmen amtlicher Lebensmittelüberwachungen vereinzelte Produkte aus dem Verkehr gezogen wurden, sind immer noch viele potenziell schädliche Artikel im Umlauf. Insbesondere Online-Händler setzen sich über die Verbote hinweg und bieten trotzdem weiterhin Kunststoffgeschirr aus Naturfasern an.
Reine Bambusprodukte auch weiterhin zulässig
Im Juni 2020 erklärten Experten der Europäischen Kommission Bambus und andere natürliche Inhaltsstoffe in Kunststoffgeschirr als für den Handel unzulässig. Selbst wenn der gemessene Grenzwert nicht überschritten wurde, sei der Vertrieb derartiger Ware für lebensmitteltechnische Zwecke zu unterlassen. Produkte aus reinem Bambusmaterial wurden jedoch als unbedenklich eingestuft und können somit auch in Zukunft legal verkauft werden.
Sofortige Rückrufaktion erforderlich
Die Fachgesellschaft appelliert in erster Linie an die Bundesregierung – diese sei dazu verpflichtet, einen umfassenden Rückruf zu veranlassen und die Öffentlichkeit explizit auf potenzielle Gesundheitsgefahren hinzuweisen. Außerdem fordern die Experten politische Entscheidungsträger dazu auf, gezielt gegen Rechtsunsicherheiten vorzugehen, damit Behörden die Rückrufe unter klaren Handlungsvorgaben umsetzen können. Für Konsumenten soll darüber hinaus eine vollständige Rückerstattung des Kaufpreises gewährleistet werden. Falls Endverbraucher schädliche Artikel im Handel auffinden, sollten sie unmittelbar die nächstzuständige Behörde kontaktieren. Von einem Rückruf betroffene Filialen wird nahegelegt, sämtliche Kommunikationskanäle zu nutzen, um ihre Kunden über die Gefahren aufzuklären.
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