43 Prozent aller Deutschen sind bereits vollständig geimpft, 15,7 Prozent warten noch auf ihre zweite Spritze. Dennoch gibt es viele Personen, die den Coronaimpfstoffen aufgrund mangelnder Langzeitforschung kritisch gegenüberstehen oder sich aus anderen Gründen nicht impfen lassen. Aktuelle Ergebnisse, die kürzlich auf dem European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases präsentiert wurden, deuten darauf hin, dass das Grippevakzin gesundheitliche Vorteile für diese Personengruppen mit sich bringen könnte.
So wirkt der Grippeimpfstoff
Bei der Grippeimpfung werden geschwächte oder inaktive Viren unter die Haut oder in den Muskel injiziert. Für Kinder und Jugendliche ist ein Nasenspray in Form eines Lebendimpfstoffes verfügbar. Nach der Injektion beginnt das Immunsystem, Antikörper gegen die Grippe zu produzieren. Falls der Geimpfte mit dem Virus zukünftig in Kontakt kommt, tritt die Schutzfunktion in Kraft. Da Influenzaviren konstant mutieren, kann jedoch kein permanenter Impfschutz gewährleistet werden, weshalb eine jährliche Auffrischimpfung empfohlen wird. Vor ihrer Zulassung unterliegen sämtliche Grippeimpfstoffe, wie andere Vakzine auch, strengen Zulassungsverfahren, in denen Qualität, Effizienz und Verträglichkeit nachgewiesen werden müssen. Um eine hohe Sicherheit zu garantieren, erfolgen nach der Zulassung weitere Kontrollen durch das Paul-Ehrlich-Institut.
Umfangreiche Datenanalyse
Um mehr über den potenziell protektiven Effekt der Grippeimpfung zu erfahren, führten Forschende der Miller School of Medicine der University of Miami eine Studie durch, in der sie die Angaben zehntausender Covid-Patienten aus unterschiedlichen Ländern analysierten. Unter der Leitung der US-Forscherin Susan Taghioff untersuchten die Forschenden den Krankheitsverlauf und gesundheitsrelevante Daten von mehr als 70 Millionen Patienten. Für die Umsetzung dieses Projektes verwendeten die Mediziner die Datenbank TriNetX, die den Zugriff auf anonymisierte Patientenakten verschiedener Länder ermöglicht. Der Fokus wurde auf Coronapatienten mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Krankheitsverläufe gelegt. Dazu zählten beispielsweise Raucher, ältere Menschen sowie chronisch Erkrankte. Basierend auf diesen Faktoren wurden mehr als 37.000 Coronainfizierte erfasst, welche in zwei Gruppen unterteilt wurden. Die Probanden der Untersuchungsgruppe hatten mindestens zwei Wochen und maximal sechs Monate vor dem Auftreten der Coronaerkrankung einen Impfstoff gegen Influenza erhalten, Testpersonen der Kontrollgruppe nicht.
Grippegeimpfte weniger anfällig für gravierende Krankheitsverläufe
Die Wissenschaftler verglichen im Folgenden die Inzidenz von schwerwiegenden Komplikationen zwischen den beiden Gruppen. Die Resultate zeigen, dass Coronaerkrankte, die durch den Influenza-Impfstoff geschützt waren, seltener in die Notaufnahme eingeliefert wurden und weniger häufig in Intensivstationen behandelt werden mussten. Des Weiteren traten bei der Untersuchungsgruppe ernstzunehmende akute Gesundheitsprobleme wie Schlaganfälle, Thrombosen oder Sepsen mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit auf. Anzumerken ist allerdings, dass die Sterberate bei den Grippegeimpften nicht geringer ausfiel.
Coronaimpfung trotzdem vorziehen
Expertin Taghioff zufolge könnte der Grippeimpfstoff Personen, die nicht gegen Corona geimpft sind, vor schwerwiegenden Krankheitsverläufen bewahren. Trotzdem betont die Forscherin, dass das Influenza-Vakzin nicht als Alternative für die Covid-Impfung betrachtet werden sollte. Sie ermutigt all jene ohne Risikoerkrankungen, die Impfung in Anspruch zu nehmen, um die Ausbreitung der Pandemie abzuwenden. Der Grippeimpfstoff verfüge jedoch über das Potenzial, das zeitgleiche Ausbrechen von Influenza und Covid zu verhindern. Um das Gesundheitssystem global nicht zu überlasten, sei es essenziell, eine Grippeerkrankung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu vermeiden.
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