Unser Immunsystem ist ein komplexer und sehr wichtiger Mechanismus: Dank ihm kann unser Körper Krankheiten bekämpfen und sich an sie erinnern – zum Beispiel an eine Covid-19-Erkrankung. Das funktioniert allerdings nicht immer optimal, wie etwa bei Heuschnupfen, wenn die Immunabwehr auf harmlose Pollen überreagiert, oder bei Autoimmunerkrankungen, wenn sie Teile des eigenen Körpers angreift. Und auch bei Darmkrebs liegt oft ein Versagen des Immunsystems vor: Statt eine Immunantwort zu mobilisieren, um die Krebszellen zu bekämpfen, fahren die körpereigenen regulatorischen T-Zellen die Reaktion zurück.
Gut gegen Böse: Unterschiede zwischen Immunzellen
Regulatorische T-Zellen (Tregs) werden zwar an vielen Orten im Körper für verschiedenste Aufgaben gebraucht, trotzdem fällt auf, dass sie bei Darmkrebserkrankten in besonders großen Mengen vorhanden sind. Ein Forschungsteam der Universität Duisburg-Essen untersuchte diese Immunzellen daher genauer. Die Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich im Fachblatt „Cancer Research„. Die Gruppe ging von Unterschieden zwischen den herunterregulierenden Tregs und den guten T-Zellen aus. Daher suchten sie Merkmale, die ausschließlich die Tregs im Tumorgewebe aufwiesen. „Auf diese Weise wird es leichter, tumorassoziierte Tregs gezielt zu bekämpfen, ohne unerwünschte Nebenwirkungen durch das Ausschalten der anderen, positiven Tregs zu riskieren“, erklärt Dr. Alexandra Adamczyk, Erstautorin der Studie.
Marker-Molekül entlarvt tumorfördernde T-Zellen
Tatsächlich fanden die Forschenden bei ihrer Suche ein bestimmtes Marker-Molekül, welches nur die tumorassoziierten Tregs aufwiesen: Der Rezeptor GPR15. Er erlaubt es den T-Zellen, in das Tumorgewebe einzudringen, und erhöht außerdem die Produktion entzündungsfördernder Botenstoffe. Nachdem sie das Marker-Molekül ausfindig gemacht hatten, galt es zu prüfen, ob GPR15 tatsächlich das Wachstum von Tumoren fördert. Dafür schalteten sie den Rezeptor experimentell aus. „Wir konnten sehen, dass das Tumorwachstum langsamer fortschreitet und die Tregs nicht so stark in das Tumorgewebe einwandern“, so Dr. Alexandra Adamczyk. Insgesamt wurde der Teil der Immunabwehr, der Krebszellen bekämpft, wieder stärker.
Spezifischer Ansatz mit großem Potential
Bisher sind Darmkrebstherapien für Betroffene oft mit großer Anstrengung und nicht wenigen Einbußen verbunden. Chemo- und Strahlentherapie wirken unspezifisch und belasten somit den ganzen Körper. Eine Therapie, die dem Immunsystem hilft, den Krebs selbst zu bekämpfen, wäre daher ein großer Fortschritt. „Die Manipulation von regulatorischen T-Zellen könnte in Zukunft in der personalisierten Behandlung von Darmkrebspatient*innen zum Einsatz kommen“, erklärt Prof. Dr. Astrid Westendorf, Dozentin für Infektionsimmunologie an der Universität Duisburg-Essen. Trotz des frühen Forschungsstadiums sehen die Wissenschaftler in ihrem Ansatz großes Potential für neue Behandlungsmöglichkeiten von kolorektalen Krebserkrankungen. Und auch Prof. Westendorf zeigt sich zuversichtlich: „Auch wenn wir vieles davon zunächst nur in experimentellen Laborversuchen zeigen konnten, hoffen wir, wichtige Grundlagen für neue Therapien bei Darmkrebspatientinnen und -patienten gelegt zu haben“, so Prof. Dr. Astrid Westendorf.
Was meinen Sie?