Sie galt als eine der tödlichsten Infektionskrankheiten der Welt und führte zur wohl verheerendsten Pandemie der Weltgeschichte: Die Pest. Angesichts verbesserter Hygienebedingungen und medizinischen Fortschritts konnte die hochansteckende Infektionskrankheit in den meisten Ländern erfolgreich eingedämmt werden. Dennoch beeinflusst die Pest auch heute noch die Funktionsfähigkeit unseres Immunsystems.
Infizierte Nagetiere als Überträger
Die Pest ist eine hochinfektiöse Erkrankung, die durch das sogenannte Yersinia-Bakterium hervorgerufen wird. Diese Krankheit tritt heutzutage überwiegend in kleinen Endemiegebieten in Asien, Afrika und Amerika auf. Als Risiko-Gebiete gelten insbesondere Peru, Madagaskar sowie die Demokratische Republik Kongo. Mangelnde Hygienestandards sowie starker Nagetierbefall begünstigen eine rasche Verbreitung. Die Kontamination erfolgt in erster Linie durch Bisse von Flöhen, welche im Pelz infizierter Tiere leben. Keime können jedoch auch mittels Tröpfcheninfektion übertragen werden. Die häufigste Form der Infektionskrankheit ist die sogenannte Beulenpest, welche sich durch hohes Fieber, Glieder- und Kopfschmerzen sowie Schüttelfrost bemerkbar macht. Im weiteren Verlauf entwickeln sich schmerzhafte Schwellungen der Lymphknoten, die sich im Zuge des Krankheitsverlaufs zunehmend blau verfärben. Werden diese Symptome rechtzeitig erkannt, so liegen die Überlebenschancen dank Antibiotika-Therapie sehr gut.
Wie die Pest unser Immunsystem prägte
Im Rahmen eines Forschungsprojektes untersuchten Experten der University of Chicago, inwieweit sich die Pest auf die genetische Entwicklung unseres Immunsystems auswirkte. Die Mediziner analysierten dafür mehr als 500 DNA-Proben von Personen, die entweder vor der Pest ihr Leben verloren, an der Pest verstarben oder die Infektion überlebten. Die Proben wurden aus sterblichen Überresten extrahiert. Anhand dieser Analyse sollten genetische Adaptionen ausfindig gemacht werden, welche mit der Pest in Zusammenhang stehen.
Entscheidender Gencode entschlüsselt
Vor etwa 700 Jahren forderte die Beulenpest in Asien, Afrika und Europa zahlreiche Todesopfer. Einige Menschen wiesen allerdings Genmaterial auf, welches sie vor einer Erkrankung bewahrte. In diesem Kontext spielen die Versionen von vier Genen eine entscheidende Rolle. Diese sind an der Produktion jener Eiweißstoffe beteiligt, die den menschlichen Organismus vor Pathogenen schützen. Die Genversionen zeichneten sich hinsichtlich der Pest durch einen äußerst ambivalenten Effekt aus: Entweder verringerten sie das Infektionsrisiko oder erhöhten die Anfälligkeit einer Erkrankung. Während Personen mit zwei identischen Kopien des sogenannten ERAP2-Gens eine Pestinfektion tendenziell überlebten, bestand bei Menschen mit einem gegenteiligen Gencode eine besonders hohe Mortalität. Den Forschern zufolge begünstigten die identischen Genkopien eine schnelle Immunreaktion, sodass Keime wie das Yersinia-Bakterium frühzeitig erkannt und neutralisiert werden konnten.
Höhere Überlebenschance dank Genkopie
Die zweite Pestpandemie im 14. Jahrhundert ging als Schwarzer Tod in die Geschichte ein – geschätzt 25 Millionen Menschen fielen der Infektionskrankheit zum Opfer. Den Experten zufolge wurden jene Gene, welche mit einem gesundheitlichen Vorteil einhergingen, durch Überlebende an ihre Nachkommen übertragen. Personen mit der Genkopie ERAP2-Allel würden eine 40 bis 50 Prozent höhere Überlebenschance aufweisen als Betroffene ohne diese Genkopie. „Der selektive Vorteil, der mit den ausgewählten Loci verbunden ist, gehört zu den stärksten, die jemals beim Menschen festgestellt wurden und zeigt, wie ein einziger Krankheitserreger einen so starken Einfluss auf die Evolution des Immunsystems haben kann“, erläutert Studienautor Professor Luis Barreiro.
Kontraproduktive Auwirkungen in der Neuzeit beobachtet
Diese schützenden Genversionen kommen heutzutage häufiger vor als während der Pestpandemien. Obwohl dieses Erbgut im Mittelalter zahlreiche Menschen vor dem Tod bewahrte, wirkt es sich in der Neuzeit jedoch eher negativ auf unser Immunsystem aus: So werden die einst gesundheitsfördernden Genkopien mit der Entwicklung mehrerer Autoimmunerkrankungen assoziiert, wie beispielsweise rheumatoider Arthritis oder der Darmerkrankung Morbus Crohn. Diese Forschungsergebnisse belegen, dass die Pest auch noch 700 Jahre nach ihrer höchsten Inzidenz Einfluss auf unsere Gesundheit nimmt.
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