Bisher ist die Ursache für das Auftreten von Krankheiten wie Alzheimer und Demenz noch nicht vollständig geklärt. Mediziner gehen jedoch davon aus, dass das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen durch genetische Vorbelastung sowie Umwelteinflüsse steigt. Doch auch andere Faktoren sind denkbar: Eine neue Studie hat nun einen eventuellen Zusammenhang zwischen dem Ausbrechen von neurodegenerativen Krankheiten und vergangenen viralen Infektionen aufgedeckt.
Nervenerkrankungen durch Viren
Erst kürzlich konnte festgestellt werden, dass vergangene Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) mit einem erhöhten Risiko für Multiple Sklerose einhergehen. Angesichts dieser Tatsache interessierten sich die Forscher dafür, ob Viren generell Erkrankungen der Nerven auslösen können. Um den Einfluss der vorhergegangenen Infektionen zu verstehen, untersuchten die Wissenschaftler Daten von über 300.000 Menschen aus einer finnischen Datenbank. Litten die Personen an neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Multipler Sklerose oder Parkinson, wurde ihre Krankengeschichte genauer unter die Lupe genommen. Die Forscher suchten in den Patientenakten nach früheren viralen Infektionen wie dem Epstein-Barr-Virus, Meningitis (Hirnhautentzündung), Hepatitis (Leberentzündung) oder Influenza (Grippe), die maximal 15 Jahre zurücklagen.
Patienten leiden an ähnlichen Infekten
Bei der Auswertung der Daten fanden die Forscher 45 signifikante Korrelationen: Personen, die an einer bestimmten Nervenkrankheit leiden, weisen im Vorfeld häufig auch dieselben viralen Infektionen auf. Um die gefundenen Ergebnisse abzusichern, untersuchte man die gleichen Zusammenhänge erneut anhand Daten von 100.000 Menschen aus England: dabei bestätigten sich 22 der anfänglich 45 Korrelationen. Statistisch am aussagekräftigsten waren die Ergebnisse für virale Enzephalitis (Hirnhautentzündung) in der Vorgeschichte von Patienten mit Alzheimer Demenz. Auch eine Infektion mit dem Influenza-Virus ist signifikant mit dem Auftreten von fünf der sechs untersuchten neurodegenerativen Erkrankungen verbunden. Zusätzlich gelang den Wissenschaftlern ein weiteres Mal der Nachweis des Zusammenhangs zwischen EBV und Multipler Sklerose, welcher Ausgangspunkt der Studie war.
Kausalität noch unklar
Zwar konnte mithilfe der Daten eine Verbindung von viralen Infektionen und neurodegenerativen Erkrankungen bestätigt werden, doch die Forscher wissen auch: die Korrelation muss nicht kausal sein. Eventuell führt nicht die Virusinfektion zur Nervenkrankheit, sondern die bestehende Nervenerkrankung zu schwereren Infektionsverläufen. Seit längerem ist bekannt, dass Demenzerkrankungen zehn bis 20 Jahre vor dem Auftreten erster Symptome zu Veränderungen im Körper führen. Eventuell sind diese für die erhöhte Infektanfälligkeit und die gesteigerte Wahrscheinlichkeit einer anschließenden Hospitalisierung verantwortlich. Schon während der Corona-Pandemie konnte dieses Risiko bei Alzheimer-Patienten beobachtet werden.
Doch ungeachtet, welcher Faktor kausal ist – der Zusammenhang zwischen viralen Infektionen und neurodegenerativen Erkrankungen besteht und es bedarf in jedem Fall weiterer Forschungen auf diesem Gebiet.
Impfung bietet Schutz
Was aber kann man selbst unternehmen, um sich vor den Viren zu schützen? Eine Antwort auf diese Frage könnte laut den Forschern eine Impfung sein. Für viele der oben genannten viralen Infektionen sind bereits Impfungen erhältlich. Infektionskrankheiten lassen sich damit zwar nicht verhindern, aber ihr Ausbruch und ihre Folgen werden deutlich reduziert. Somit kann der Impfschutz wahrscheinlich auch das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen senken. Andere Studien konnten diese Annahme bereits bestätigen – große Hoffnung setzen die Wissenschaftler dabei vor allem in den Ausbau der revolutionären mRNA-Impfstoffe.
Was meinen Sie?