Denkt man an Zecken, so hat man meist zuerst gefährliche Infektionskrankheiten wie Borreliose oder FSME im Kopf. Doch es steckt wohl auch Positives in den kleinen Blutsaugern, mit dem sie unserer Gesundheit helfen können. Einigen österreichischen Wissenschaftlern zufolge ist die Substanz, mit der sich die Zecken an der Haut festsetzen, dazu in der Lage auch menschliche Sehnen und Bänder zu reparieren.
Zecken – Nur lästig oder auch nützlich?
Da Zecken bekanntlich bedrohliche Krankheiten übertragen können gilt allgemein einen möglichst großen Bogen um die Tierchen zu machen und sich nach Aufenthalten in Risikogebieten gründlich nach ihnen abzusuchen. Sollte man nach einem Naturausflug tatsächlich eine Zecke am Körper bemerken, ist es oft schwer sie wieder loszuwerden. Die Blutsauger verfügen über eine spezielle Substanz mit enormen Klebeeigenschaften, mit der sie sich so fest an den Menschen binden und mehrere Tage Blut saugen können.
Vielversprechender biologischer Klebstoff
Ein Forschungsteam der Medizinischen Universität (MedUni) Wien und der Technischen Universität (TU) Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht diesen „Zecken-Zement“ zu untersuchen und ihn chemisch für die Biomaterialforschung nutzbar zu machen. Sylvia Nürnberger von der Universitätsklinik für Unfallchirurgie hat das Projekt geleitet und gab im Rahmen einer Mitteilung an, dass es durchaus denkbar sei die genannte Zeckensubstanz zukünftig als Klebstoff für menschliches Gewebe zu nutzen. Auf diese Weise könnten zum Beispiel Bänder und Sehnen metallfrei am Knochen befestigt werden. Zusammen mit Martina Marchetti-Deschmann von der TU Wien analysiert Nürnberger die Komposition des natürlichen Zecken-Klebstoffes. Zudem wird geklärt, wie die Substanz als Muster für neue Gewebekleber verwendet werden könnte. Aktuell kommen in der Chirurgie Gewebekleber zum Einsatz, die teilweise toxisch wirken können. Gerade bei schwerwiegenden Hautverletzungen oder Leberrissen sind alternative Klebstoffe aber zu schwach. Aus diesem Grund wären natürliche Kleber eine ideale Option.
Analyse von Riesenzecken
Bei der Studie handelt es sich um einen Part der COST-Action der Europäischen Union. COST (European Cooperation in Science and Technology) ist ein europäisches Netzwerk für die Zusammenarbeit von nationalen und internationalen Forschern in jeglichen Bereichen von Wissenschaft und Technologie, darunter auch der Bereich Bioadhäsion. Das EU-Netzwerk „Bioklebstoffe“ wird vom Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie in Wien geleitet und zählt aktuell 150 Wissenschaftler aus 30 Ländern.
Die Forschungsarbeit soll dafür sorgen, dass neue Alternativen und Verfahren zu bereits existenten Klebstoffprodukten für Bänder, Haut, Knorpel oder Sehnen gefunden werden. Angaben zufolge werden zurzeit etwa 300 Zecken aus Österreich und deren Klebstoff an der MedUni Wien untersucht. Bei der Studie stechen die Tierchen durch eine hautähnliche Membran, sodass sie die klebende Substanz abgeben und diese aushärtet. Noch in diesem Jahr sollen für weitere Forschungsergebnisse auch Riesenzecken in Südafrika studiert werden.
Weitere natürliche Alternativen
Neben den Zecken existieren noch andere potenzielle biologische Klebstoffquellen. Internationale Forschungsteams konnten beispielsweise bereits aufdecken, dass mithilfe der Haftfäden der Miesmuschel alternative Klebstoffe kreiert werden können. Das für die Klebwirkung verantwortliche Haftmolekül DOPA (eine Abweichung der Aminosäure Tyrosin) befindet sich schon jetzt in der präklinischen Testphase. Da DOPA aber nur eine geringe Haftstärke aufweist, ist es nicht für alle medizinischen Bereiche geeignet. Bedarf an neuen Klebstoffen gibt es deshalb trotzdem.
Darüber hinaus verfügen Seegurken über spezielle Klebstofffäden, die sie durch ihre Hautdrüsen auf ihre Feinde oder Beute werfen. Auch einige Insektenlarven und Krebsarten stellen solche Fangfäden her und könnten als potenzielle Klebstoffspender dienen.
Thomas Karbowski
14.06.2021 23:16Interessant zu wissen, dass Klebstoffe nicht nur aus der Zecke, sondern auch aus der Miesmuschel hergestellt werden können. Mein Neffe interessiert sich für Biotechnologien. Er möchte neben der Zecke und der Miesmuschel auch andere alternative Klebstoffe durch seine Tätigkeit entdecken.