Vor ein paar Jahren hätte wahrscheinlich kaum jemand gewusst, was mit dem Begriff „Coronavirus“ gemeint ist. Heute wird diese Bezeichnung mit Covid-19 in Verbindung gebracht. Nicht so bekannt ist allerdings, dass es auch harmlose Coronaviren gibt. Bei einer Ansteckung bewirken diese jedoch nur eine Erkältung. Forscher der amerikanischen Non-Profit-Organisation Translational Genomics Research Institute (Tgen) haben nun nachweisen können, dass frühere Infektionen mit ungefährlicheren Coronaviren den Verlauf einer möglichen Covid-19-Infektion abschwächen.
Von den insgesamt sechs harmlosen Coronaviren sind nach wie vor vier Virenarten weltweit verbreitet. Diese werden auch als „gewöhnliche Coronaviren“ bezeichnet und sind überwiegend für Erkältungskrankheiten verantwortlich. Deren Verwandtschaft zu SARS-CoV-2 könnte uns nun nützlich werden: Ehemals mit den gewöhnlichen Viren infizierte Personen bilden teilweise eine gewisse Grundimmunität gegen Coronaviren, was auch zum Teil gegen eine Covid-19-Ansteckung helfen kann.
Kreuzreaktionen für besseren Schutz verantwortlich
Grundimmunität bedeutet, dass unser Immunsystem sich das Muster eines Virusproteins merkt und bei nah-verwandten Eindringlingen dieses erneut erkennt. Die gebildeten Antikörper können, wie im Fall von Coronaviren, dann durch eine sogenannte „Kreuzreaktivität“ auch die aktuell gefährlichere Version SARS-CoV-2 angreifen. Bei der wissenschaftlichen Analyse zeigte sich auch, dass dieser Vorgang eine breit-neutralisierende Antikörper-Reaktion mit großem Potenzial hervorbringt. Das bedeutet, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 entweder milder verläuft oder sogar ganz abgewehrt werden kann.
In der Studie wurde aber auch festgestellt, dass sich die kreuzreaktiven Antikörper bevorzugt an alte, nicht so gefährliche Coronaviren binden. Das deutet darauf hin, dass es nur eine eingeschränkte positive Reaktion auf das neuartige Coronavirus geben könnte. Auch wie die genauen Auswirkungen bei Patienten mit vorhandener Grundimmunisierung und einer anschließenden Infektion mit SARS-CoV-2 verlaufen, wollen die Forscher noch herausfinden.
Kreuzreaktionen bei Corona schon vor Monaten entdeckt
Bereits im August 2020 fand eine Forschungsgruppe um Jose Mateus vom La Jolla Institute for Immunology heraus, dass Kreuzreaktionen bei Infektionen mit dem Coronavirus stattfinden können. Bei der Analyse des Bluts von Covid-19-Infizierten fanden sich bereits T-Zellen gegen das Virus. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 hatten die Patienten zuvor nicht; mit harmlosen Coronaviren waren sie jedoch bereits in Kontakt. Kreuzreaktionen könnten eine weitere Erklärung dafür sein, warum bei manchen Menschen der Verlauf einer Covid-19-Erkrankung schwerer ist, wobei andere dagegen wenige oder keine Symptome zeigen.
Eine darauffolgende Studie, die im November vorigen Jahres von Forschern des Francis-Crick-Institutes in London durchgeführt wurde, bestätigt erneut die Kreuzreaktivität von Antikörpern bei Coronaviren. Kinder und Jugendliche wurden ebenfalls bei der Analyse miteinbezogen. Bei ihnen scheint ein besonders guter Schutz gegen das neuartige Coronavirus vorhanden zu sein, wenn sie davor mit der Erkältungsvariante in Berührung kamen.
Antikörper verschwinden schnell wieder im Körper
Ein weiterer Faktor bei der Schwere des Verlaufs kann die Anzahl der Antikörper sein, die sich noch im Blut befinden. Erfolgte erst wenige Monate davor eine Infektion mit gewöhnlichen Coronaviren, kann sich auch der Verlauf bei einer Ansteckung mit Covid-19 abschwächen. Dabei spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Denn nach ungefähr zwei bis drei Monaten sind bei einem Großteil der Personen nur noch wenige Antikörper vorhanden.
Das bedeutet aber nicht, dass wir komplett schutzlos sind: Andere Teile des Immunsystems, wie die T-Zellen, können altbekannte Krankheitserreger ebenfalls schnell angreifen, da sie eine Art Gedächtnis entwickeln können. Außerdem bleiben sie länger im Körper bestehen als Antikörper. Zusätzlich besitzt das Immunsystem noch Gedächtniszellen, die bei erneutem Kontakt mit dem Virus für eine schnelle Neuproduktion der Abwehrzellen sorgen. Wie genau die Infektion mit SARS-CoV-2 bei jedem Einzelnen verlaufen wird, kann aber schwer prognostiziert werden, da noch einige weitere Risikofaktoren einen schwereren Verlauf begünstigen können.
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